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Operation Gipfelstürmer – Unterwegs für «Paraforum» – Erkundungstour auf den Muottas Muragl

'Neapel sehen und sterben!' So heisst ein bekanntes Sprichwort…

… aber eigentlich müsste es heissen: 'Muottas Muragl sehen und sterben!'

Der Legende nach soll sich ja der liebe Gott nach 6 Tagen Schöpfungsarbeit am 7. Tag auf den Muottas Muragl gesetzt, die Landschaft um sich betrachtet und – tief bewegt durch das wunderschöne Oberengadin – 3 Tränen der Rührung vergossen haben, welche in der Folge die heute sichtbaren Seen der Oberengadiner Seenplatte bildeten.

Ob diese Legende stimmt oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Aber was ich sicher sagen kann, ist dies: dass Muottas Muragl zu jenen Orten in der Schweiz gehört, die man im Verlaufe seines Lebens einfach einmal gesehen haben muss.

Natürlich bin ich mit meiner Einschätzung alles andere als unvoreingenommen. Ich bin sogar mit meiner Einschätzung absolut und unwiderruflich voreingenommen! Schlicht und einfach deshalb, weil mir dieser Ort so gut gefällt.

Aber wir wollen ja hier nicht einfach ein billiges Werbe-Textchen über unsere letzte Exkursion im Rahmen der 'Operation Gipfelstürmer' präsentieren, sondern einen objektiven Bericht für all jene, die einmal einen (Tages-)Ausflug dorthin wagen wollen! Also…

Eigentlich beginnt die Reise aus dem Unterland auf den Muottas Muragl ja nicht erst im Oberengadin, sondern bereits viel früher. Von Zürich her kommend muss man sich z.B. fragen, ob man mit der (rhätischen) Bahn die Route von Landquart via Klosters und Sagliains nach Samedan wählt – ober ob man nicht doch lieber via Chur, Thusis, Tiefencastel und Bergün dorthin fährt. Auf der ersten Route ist man zwar ein wenig schneller unterwegs, via Chur reist man dafür auf der zum Weltkulturerbe gehörenden 'Albula-Linie'…

Und weshalb die Albula-Linie zum Weltkulturerbe gehört, merkt man spätestens dann, wenn man über das Landwasser-Viadukt in der Nähe von Filisur fährt. Aber das ist natürlich nur ein Höhepunkt auf der gesamten Reise mit der RhB von Chur nach Samedan.

In Samedan gilt es auszusteigen – der Rollstuhllift erwartet uns bereits. Die Waggons der RhB sind allerdings nicht optimal gerüstet für Rollstuhlfahrer. Die Standard-Türbreite beträgt 60 cm, der Zugang zum Innenbereich ist sogar noch enger. Dadurch muss man entweder im Vorraum des Waggons reisen – oder dann Vorlieb nehmen mit dem Postwaggon, wo dann auch problemlos Elektrorollstühle transportiert werden können, wo es allerdings auch deutlich lauter ist als in den normalen Waggons.

Von Samedan aus nehmen wir dann den Niederflurbus nach Punt Muragl. Der Bahnhof ist bestens gerüstet für Rollstuhlfahrer: Rampen, Lifte, WC, Kiosk, Restaurant… alles ist vorhanden.

Theoretisch könnten wir von Samedan aus auch die RhB Richtung Pontresina nehmen – einige neuere Waggons dieses Zuges haben einen fast schwellenlosen Zugang für Rollstühle. Aber die Umsteigezeiten sind etwas eng bemessen und das hauptsächliche Problem liegt bei der Bahnhaltestelle in Punt Muragl, denn diese ist für Rollstühle schlicht (noch) nicht eingerichtet.

Da fällt es viel einfacher, sich mit dem Bus direkt vor die Talstation der Muottas-Muragl-Bahn (MMB) fahren zu lassen – wie hier unsere Gipfelstürmer rechts unten im Bild!

Wenn wir bei der Talstation etwas genauer hinschauen, dann sehen wir im Vordergrund auch zwei Parkplätze exklusiv für Rollstuhlfahrer – vorbildlich! In der Bildmitte ist der Billetschalter, der allerdings infolge einer hohen Stufe (und mangels einer Rampe) für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich ist – da ist also eine Hilfsperson gefragt! Links von der Kasse ist der Eingang für Fussgänger, rechts vom Schalter führt eine kleine Rampe vom Gebäuderand her zu der olivfarbenen Türe, durch welche man mit dem Rollstuhl zur Bahn gelangt.

In der Talstation erwarten wir dann die Ankunft der MMB, deren zwei oberste Abteile für Rollstühle zugänglich sind (Details vgl. Checkliste).

Und dann sind wir bereits unterwegs nach oben, auf den Muottas Muragl!

Zur Reise in der Standseilbahn muss man vielleicht noch anfügen, dass die Steigungsgrade während der Fahrt naturgemäss stets ein wenig wechseln und man sich daher im Rollstuhl sitzend ein wenig 'instabil' fühlen kann.

Oben auf Muottas Muragl wird man von einem nigelnagelneuen Treppenlift – der just auf diese Sommersaison hin in Betrieb genommen wurde – in Empfang genommen. Von da aus bewegt man sich dann im Rollstuhl nahezu hindernissfrei.

Der ganze Komplex mit Bergstation, -hotel und -restaurant wurde vor wenigen Jahren komplett renoviert, erweitert und sehr geschmackvoll eingerichtet (allein der Besuch des WC ist ein Erlebnis und ein Muss!) – nicht nur für Fussgänger, sondern auch für Rollstuhlfahrer: So ist Muottas Muragl z.B. die bisher einzige von uns besuchte Bergstation mit einem eigens für Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer eingerichteten Zimmer im Berghotel.

Ein längerer Aufenthalt auf Muottas Muragl wäre also sicherlich bedenkenswert – doch im Grunde genommen geht man vor allem mit folgender Motivation dort hin: Um die sagenhafte Aussicht auf die Oberengadiner Seenplatte und die umliegenden Berggipfel zu geniessen! ...

… Oder um als Fussgänger die zahlreichen Wanderwege in diesem Gebiet zu begehen. Aber auch als Rollstuhlfahrer hat man ein gewisses Mass an Bewegungsfreiheit auf Muottas Muragl (siehe unten)!

Auf dieser Orientierungskarte sieht man übrigens auch, dass Muottas Muragl nicht wirklich ein 'Gipfel' ist. Vielmehr handelt es sich um einen Aussichtspunkt, der sich auf der einen Schulter des Piz Muragl befindet. Kein Grund allerdings, ihn – den Aussichtspunkt – nicht trotzdem erstürmen zu wollen!

Um als Rollstuhlfahrer auf die riesige Terrasse des Hotels zu gelangen, nimmt man den hoteleigenen Lift im Gebäude drin. Fussgänger können auch über die Aussentreppe dahin gelangen.

Die Aussicht von der Terrasse musste allerdings bei unserem Besuch erst einmal 'verdient' sein… ;-)

Begleitet wurden wir nämlich auch von mehreren Medienvertretern, die sich für unser Projekt interessierten. Hier im Bild sehen wir links David Spinnler (von rhätoromanischen Fernsehen), Andreas Overath (von der 'Engadiner Post') und rechts Nadja Simmen (vom Radio Südostschweiz) im Gespräch mit unserem Begleiter im Rollstuhl, Erwin Graf aus Chur.

Die Berichte der Medienschaffenden finden sich selbstverständlich im Anhang dieser kleinen Erzählung!

Wer war denn diesmal eigentlich mit von der Partie? Nun, Erwin Graf aus Chur, der uns im Rollstuhl begleitete, habe ich bereits erwähnt; für die wissenschaftliche Bestandesaufnahme und Auswertung waren diesmal Nikola Angelov, Dr. Hans Georg Koch und Johannes Kinast vom SPV zuständig; und als Berichterstatter und Fotograf waltete René Wildi (v.l.n.r.).

Natürlich wollten wir nicht nur wissen, was alles in der Bergstation und im Hotel möglich ist für Rollstuhlfahrer… sondern eben auch, was alles um die Bergstation machbar ist.

Wie bereits erwähnt ist Muottas Muragl in den Sommer- und Herbstmonaten ein kleines Paradies für Ausflügler und Wandervögel. Ein dichtes Netz an Wanderwegen unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgrade durchzieht die Gegend.

Da es sich vorwiegend um Bergwanderwege handelt, sind die meisten Wege natürlich für Rollstühle wenig oder gar nicht geeignet. Aber unmittelbar um die Bergstation hat es doch einige Wege, die breit angelegt sind (wie diese hier) und auf einer Länge von ca. 800-1000 m befahren werden können.

Zuweilen geht es dann halt ein bisschen stark aufwärts – aber mit ein wenig Schubhilfe schaffen wir das gemeinsam schon!

So gewinnt man bald ein wenig an Höhe und kann aufs Tal und die Bergstation hinunterblicken. In der Bildmitte sehen wir das Berghotel und gleich rechts davon, unmittelbar hinter dem Gebäude, steht ein grosser Kinderspielplatz.

Wenn man sich mit dem Rollstuhl auf diesen befestigten Wegen noch ein wenig weiter wagt, dann kommt man auch an verschiedenen Kunstwerken vorbei: diverse, in der Landschaft platzierte Figuren, die präziseste Sonnenuhr der Welt… oder – wie hier – Aussichtspunkte für die höchsten Berggipfel der Umgebung.

Muottas Muragl ist allerdings nicht nur in der warmen Jahreszeit einen Besuch wert – auch im Winter lohnt es sich, hierher zu reisen. Die Aussicht mit den verschneiten Berghängen ist vielleicht sogar noch ein wenig imposanter!

Es gibt dann zusätzlich zu den Attraktionen im Sommer noch eine rassige Schlittelbahn hinunter nach Punt Muragl; für jene, die es lieber etwas gemütlicher nehmen, gibt es den Philosophenweg, …

… wo man und frau sich trefflich über den einen oder anderen Gedanken vergangener und gegenwärtiger Geistesgrössen unterhalten kann.

Auf dem Weg sind sogar Schweizer Dramatiker vertreten!

Und für alle jene, die es noch etwas entspannter haben wollen, finden sich diese in regelmässigen Abständen aufgestellten Sitzgelegenheiten, wo man die Seele so richtig baumeln lassen und das Panorama geniessen kann – carpe diem & panorama!

Was alles genau im Winter für Rollstuhlfahrer machbar ist, ist allerdings schwierig zu sagen… Die auf Muottas Muragl angelegten Wege werden vom Pistenfahrzeug breit und sehr solide gewalzt. Mit einem Schlitten oder einem mit Cross-Country-Bereifung ausgerüsteten Rollstuhl sollte der eine oder andere Weg sicher befahrbar sein (die entsprechende Erfahrung fehlt uns da aber).

Vielleicht sollte man es bei einem Besuch im Winter einfach so handhaben, wie Erwin Graf das im Interview gesagt hat: 'Einfach mal probieren – und wenn es nicht auf Anhieb klappt, kann man immer noch jemanden um Hilfe bitten.'

So oder so darf man aber sagen: Muottas Muragl ist ein Ort, wo sich Fussgänger und Rollstuhlfahrer wohlfühlen können!

Cordials salüds!

Die Gipfelstürmer

Anhang 1: Muottas Muragl pdf-Checkliste

Anhang 2: Bericht von Andreas Overath in der 'Engadiner Post'

Anhang 3: Audiobericht von Nadja Simmen im 'Radio Südostschweiz' (mp3)

TV-Bericht von David Spinnler im rhätoromanischen Fernsehen unter:

www.srf.ch/play/tv/telesguard/video/quant-accessib...

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