Hallo carken,
vielen Dank, dass Du dieses wichtige und interessante Thema gestartet hast! Und klasse, dass es eine Plattform für Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen gibt. Auch Dein Satz "Als Para und Tetaplegiker sind wir nicht immer bewusst das das Thema Gleichstellung andreren Menschen mit andren Behinderungen betrifft" hat mich gefreut. Ich würde mich sehr freuen, wenn Para- und Tetraplegiker mehr Schnittstellen zu anderen Krankheitsbildern und gesellschaftlichen Problemen thematisieren würden, denn sie haben eine Lobby, ein Krankheitsbild, das bekannt ist (bis dahin, dass der Rollstuhl als das Symbol für Behinderung steht), und somit ein gewisses Privileg und größere Chancen auf Gehör als andere, weniger gut bekannte Krankheitsbilder.
Johannes, Du fragst nach Stellungnahmen bzw. Erfahrungen zum Thema Diskriminierung bzw. Gleichstellung von Frauen mit Behinderung. Zu diesem Thema möchte ich eine sehr interessante Publikation teilen, auf die ich vor einer Weile hingewiesen wurde:
"“Brave Men” and “Emotional Women”: A Theory-Guided Literature Review on Gender Bias in Health Care and Gendered Norms towards Patients with Chronic Pain"
Ebenfalls auf englisch, aber gut lesbar zusammengefasst, geht dieser Artikel darauf ein:
Same symptoms, different gender - same care?
Ich bin inzwischen überzeugt, dass es eine systemische Diskriminierung von Frauen in Medizin und Forschung gibt. Dies hat sicherlich auch historische Gründe, wie z.B. das alte Konzept der Hysterie, das bis heute das Verständnis von weniger gut verstandenen Krankheitsbildern beeinflusst. Publikationen und Leitlinien zu "psychogenen" Krankheitsbildern verweisen z.T. darauf, dass diese Krankheitsbilder bei Frauen häufiger seien und verfestigen so bestehende Bias, diese Diagnosen bei Frauen häufiger zu stellen statt die Forschung nach körperlichen Ursachen voranzutreiben. Gleichzeitig konzentrierte sich die medizinische Forschung meist auf Männer - so sind z.B. in Tierversuchen männliche Versuchstiere üblich, und Frauen im gebärfähigen Alter wurden oft aus Studien ausgeschlossen, mit der Argumentation, die Schwankungen weiblicher Hormone würden die Studie verkomplizieren. Der Normmann war ebenfalls die Basis für Crashtest-Dummies.
Die "Data Gap", Datenlücke, wie es dieser Artikel aus dem Guardian nennt, hat Folgen. So sind viele Krankheitsbilder, die prozentual mehr Frauen als Männer betreffen, unzureichend erforscht und mehr stigmatisiert. Ich habe den Link gerade nicht zur Hand, aber es gibt Studien, die die Zeit bis zur Diagnosestellung bei Männern und bei Frauen vergleichen - bei Frauen ist sie meines Wissens im Schnitt markant länger, um so mehr so, wenn Symptome fälschlicherweise als psychogen angesehen wurden.
Vor diesem Hintergrund würde ich sagen: Ja, ich habe Erfahrungen mit der Diskriminierung von Frauen gemacht - und zwar in Form dessen, dass meine Symptome anfangs als psychogen abgetan wurden und ich von Ärzten behandelt wurde, als sei ich inkompetent, einfach nur, weil ich eine Frau mit Symptomen war, die sie sich nicht erklären konnten. Auch in Form dessen, dass meine Grunderkrankung, von der Frauen überproportional häufig betroffen sind, wenig bekannt und nicht gut erforscht ist und es lange Zeit bis zur Diagnosestellung dauerte.
Was für Erfahrungen habt Ihr gemacht, und was denkt Ihr dazu?
Liebe Grüße,
odyssita