To Homepage

Archiv Frag den Doktor

  1. odyssita_old Kein Ranking
  2. Archiv Frag den Doktor
  3. Mittwoch, 29. Juni 2016
Hallo,
ich melde mich mit einer ungewöhnlichen Frage. Bei mir besteht eine Instabilität C0-C2 mit beginnender basilärer Impression; Ursache ist eine Bindegewebserkrankung (hypermobiles Ehlers-Danlos Syndrom = EDS). Nun ist es so, dass es dazu auch in der Forschung wohl noch viele offenen Fragen gibt und mein Fall auch noch manche Rätsel aufgibt. Ich würde mir wünschen, dass einige meiner Symptome genauer zugeordnet werden können, und ich habe den Eindruck, dass die Paraplegiologie auf manche meiner Fragen eine Antwort haben könnte. Dass die Symptome verstanden und zugeordnet werden können ist wichtig, weil ich mir wünschen würde, dass die Verlaufsbeurteilung der Symptome bei der Frage, wann eine Versteifungs-OP sinnvoll ist, mit einbezogen wird. Bisher sehen die Neurochirurgen, die ich in Deutschland gesehen habe, nicht die Notwendigkeit einer OP. Ärzte aus den USA, die auf Instabilitäten C0-C2 bei EDS spezialisiert sind, sehen auf meinen Bildern jedoch eine deutliche Instabilität mit Abknicken des oberen Rückenmarks/unteren Hirnstamms (mit Gefahr einer Verletzung durch Dehnung/Distorsion) und eine OP-Indikation.
Meine Symptome hängen stark mit HWS-Belastungen zusammen; was inzwischen dauerhaft besteht ist eine leichte rechtsseitige Schwäche (phasenweise auch unkontrollierbare Muskelkontraktionen rechts, die mein Bein zum Hüpfen und den Arm zur Rotation im Unterarm bringen) und leichte Gefühlsstörungen und Probleme bei der Temperaturwahrnehmung rechts sowie starke Probleme, den Kopf zu halten. Dazu kommen phasenweise neurovegetative Regulationsstörungen, positionsabhängiges Aussetzen des Atemantriebs im Schlaf, Koordinationsstörungen der Arme und Beine und Probleme bei der Kontrolle des Muskeltonus (Beine, Rumpf knicken ein) und natürlich Schmerzen. Außerdem Probleme bei der Kontrolle von Augenbewegungen - wobei das ja wahrscheinlich schon in den Bereich des unteren Hirnstamms fallen dürfte.
Ich habe einige Fragen und würde einmal mit Fragenblock Nr. 1 anfangen:
Was für Möglichkeiten gibt es, den Ort einer inkompletten Verletzung im oberen Rückenmark anhand der Symptome zu diagnostizieren? Welche Ärzte sind dafür die kompetenten Ansprechpartner? Was beinhaltet eine Untersuchung auf inkomplette hohe Rückenmarksverletzung? In welchen Kliniken besteht Erfahrung mit inkompletten hohen Rückenmarksverletzungen?
Vielen Dank!
Viele Grüße,
odyssita
Dr._Hans_old
Dr. Online
Akzeptierte Antwort Pending Moderation
Hallo Odyssita!
Bei einer basilären Impression (manchmal auch basiläre Invagination) rutscht der Dens axis, d. h. der nach oben stehenden Knochenfortsatz des zweiten Halswirbels durch den Atlas (= 1. Halswirbel) hindurch bis in das Foramen magnum, dem grossen Hinterhauptloch, durch welches das Rückenmark und seine Hüllen (zusammen mit Blutgefässen) aus dem Schädel austreten und in den Rückenmarkskanal (innerhalb der Wirbelsäule) übergehen. Das Hinterhauptloch wird dadurch eingeengt und es kommt zu Kompression (Einklemmen) dieser Strukturen. Dies hat Einfluss auf das Rückenmark selbst (neurologische Ausfälle), aber auch auf die Liquorzirkulation und die Blutversorgung (arterieller Zu- und venöser Abfluss).
Zwischen den Wirbeln können auch Spinalnerven oder deren Wurzeln beeinträchtigt werden. Dies führt zu Schmerzen an der oberen Wirbelsäule und Muskelschwächen in der Nackengegend. Ausstrahlende Schmerzen (in die Arme) sind durch Irritation des Rückenmarks und der umgebenden Hirnhäute verursacht.
Das Lhermitte-Zeichen kann positiv sein. (= Kribbeln oder elektrisierendes Gefühl in den Armen und Fingern oder am ganzen Körper bei Beugung des Kopfes nach vorn.
Andere Symptome können auch Schwindel und Nystagmus (zuckende Augenbewegung) sein, weil offenbar der Hirnstamm ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird. Wenn es zu einer Störung der Atemsteuerung (Apnoesyndrom) kommt, ist auch an eine zentrale Störung zu denken. Auch Übelkeit und Erbrechen können mitspielen. Deine geschilderten Symptome passen in diesen Formenkreis.
Klassischerweise passiert das bei Personen mit einer Bindegewebsschwäche (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom), wenn die Bänder zwischen den Wirbeln und zwischen Wirbelsäule und Schädel zu schwach sind. Die basiläre Impression kann aber auch bei Krankheiten mit starker Abnutzung (rheumatoide Arthritis) oder auch nach Frakturen der oberen Halswirbel vorkommen.
Zu Deinen Fragen:
In Unkenntnis der genauen konkreten Situation wäre eine MRI-Untersuchung der Halswirbelsäule und des Schädels notwendig um sich ein klares Bild zu machen. Ebenfalls braucht es regelmässige neurologische Beurteilungen, um ein Fortschreiten der neurologischen Symptome und Ausfälle zu dokumentieren. (Facharzt für Neurologie, wenn möglich mit paraplegiologischer Erfahrung).
Die Tatsache, dass bereits neurologische Symptome grösseren Ausmasses vorhanden sind, lassen bei mir als Arzt die roten Lichter aufleuchten.
Ich habe persönlich keine Erfahrung mit basilärer Impression, dafür mit Arnold-Chiari-Syndrom und mit Syringomyelie, die am gleichen Ort ähnliche Symptome hervorrufen können.
Man sollte sich deshalb unbedingt mit einem erfahrenen Neurochirurgen oder Wirbelsäulenorthopäden in Verbindung setzen oder noch besser wenn diese beiden (für die Planung der Behandlung) zusammenarbeiten würden. Auch würde ich empfehlen, mindestens eine Zweitmeinung einzuholen. Unsere Patienten (SPZ) werden diesbezüglich von der neurochirurgischen Klinik des Kantonsspitals St. Gallen behandelt. (könnte z. B. für eine Zweitmeinung angefragt werden).
Für hohe Rückenmarksverletzungen ist ein Querschnittszentrum (Paraplegikerzentrum) die geeignete Klink. Hier besteht Erfahrung mit auf höchstem neurologischen Niveau gelähmten Patienten (z. B. Locked-in-Syndrom).
In der gegenwärtigen Situation kann ein banaler Sturz oder schon eine Auffahrkollision mit dem Auto die Situation massiv verschlechtern oder sogar zu einer hohen Tetraplegie führen. Es sind auch fatale Folgen möglich.
Eine mögliche Stabilisation und Fixation, d. h. Versteifung des „Genicks" führt zu einer wesentlichen Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule und des Kopfes. Die Risiken und die Vorteile einer Operation sind genauestens abzuwägen. Dies sollte in mehreren Gesprächen mit dem Operateur des Vertrauens erfolgen.
Ich hoffe, diese Informationen helfen Dir weiter
Dr._Hans, 4.7.2016
  1. vor über einem Monat
  2. Archiv Frag den Doktor
  3. # 1 1
odyssita_old Kein Ranking
Akzeptierte Antwort Pending Moderation
Lieber Dr._Hans,
ganz herzlichen Dank für die hilfreiche Antwort. Ich bin mir des Risikos bewusst, mit dem ich (nunmehr schon seit vier Jahren) lebe, und tatsächlich haben die Ärztevorträge der Chiari & Syringomyelia Foundation mir geholfen, zu verstehen, was mit meinem Körper passiert und letzten Endes zu der EDS-Diagnose geführt.
http://csfinfo.org/research/csf-funded-research/cs...

Ich bin sehr froh und dankbar für jeden Arzt, der sich in diesem Bereich engagiert.
Aus den Jahren 2013 und 2014 gibt es sehr umfassende radiologische Bildgebung, die allerdings unterschiedlich beurteilt wird. Eine Signalveränderung im Rückenmark ist nicht zu erkennen, weshalb ich von neurologischer Seite lange Schwierigkeiten hatte, mit meinen Symptomen ernst genommen zu werden. Ich hoffe darauf, dass DTI mit Fiber Tracking in Zukunft helfen kann, Symptome besser zu verstehen und auch Dehnungsverletzungen aufzuzeigen - soweit ich weiss, wird dies ja aber leider bisher nur im Bereich der Forschung eingesetzt, oder?
Seit 2 Jahren gab es keine weitere Bildgebung von Schädel und HWS; ich hatte auch nicht darauf gedrängt, weil ich gerne zuvor einen Arzt finden wollte, der mit der Beurteilung hinsichtlich der Fragestellung erfahren ist, so dass die Schnitte und Sequenzen entsprechend aussagekräftig gewählt werden.

Dass die EDS-Diagnose anfangs nicht bekannt war und keine Bänder gerissen sind führte leider dazu, dass ich auch in Wirbelsäulenzentren in der Vergangenheit mit meinem Anliegen, eine OP-Indikation abzuklären, nicht weiterkam. Nystagmusauffällligkeiten wurden tatsächlich von neurootologischer Seite erkannt, aber bisher nicht weiterverfolgt; ich hoffe darauf, dass dies demnächst von neurologischer Seite überprüft werden kann. Erst seit kurzem habe ich wieder eine neurologische Anbindung vor Ort, worüber ich sehr froh bin - leider haben es Patienten mit komplexen Symptomen, deren Ursache nicht auf den ersten Blick sichtbar ist, im Gesundheitssystem nicht leicht.
Ganz herzlichen Dank für den Tipp mit der Zweitmeinung über St. Gallen. Könnten Sie mir dort - oder auch sonst - einen Ansprechpartner empfehlen, oder hätten Sie Interesse, einen Blick auf meinen Fall zu werfen? Ich weiss, dass mein Fall komplex ist und ich dadurch darauf angewiesen bin, dass sich ein Arzt, der fundiertes Wissen hat und an ungewöhnlichen Fällen interessiert ist, intensiv mit meinem Fall auseinandersetzt. Solche Anlaufstellen zu finden ist nicht einfach, und ich bin dankbar für jeden Tipp. Ich komme aus Süddeutschland, bin aber inzwischen an dem Punkt, dass ich auch Anreisen ins europäische Ausland gerne in Kauf nehme in der Hoffnung, mit meinem Gesundheitsmanagement etwas voran zu kommen. Sollte sich in der Schweiz eine Möglichkeit auftun, müsste ich mich einmal informieren, ob meine Krankenkasse aufgrund der seltenen Erkrankung die Kosten übernehmen würde oder wie die Kosten als Selbstzahler wären.
Ganz herzlichen Dank für die Hilfe!
Viele Grüße,
odyssita
  1. vor über einem Monat
  2. Archiv Frag den Doktor
  3. # 1 2
Dr._Hans_old
Dr. Online
Akzeptierte Antwort Pending Moderation
Liebe Odyssita!
Vielen Dank für Deinen neuen Post mit den zusätzlichen Informationen. Mit seltenen Diagnosen, die auch noch die verschiedenen Fachbereiche überschreiten, ist es oft schwierig, ein Ärzteteam zu finden, das bereit ist, sich der Sache anzunehmen und miteinander zusammenzuarbeiten.
Im Bereich der Querschnittlähmung (und in dieses Gebiet passt Deine Pathologie je länger je besser) ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unabdingbar und wird auch mehrheitlich praktiziert.
Es geht zuerst um die richtige Diagnostik (Radiologie, Neurologie, Medizin, Orthopädie) über die Beurteilung und Einschätzung der Befunde (Paraplegiologie, Physikalische Medizin und Rehabilitation) bis hin zur richtigen Behandlung (Physiotherapie, Ergotherapie, Medizin, Orthopädie, spez. Wirbelsäulenchirurgie und Neurochirurgie) bzw. Hilfsmittelversorgung (Orthopädietechnik). Diese Zusammenarbeit ist aufwendig und stressig für die Ärzte, so dass meist einer alleine versuchen muss durchzukommen. Das gelingt in komplexen Fällen nicht immer und der mehrfache Aufwand der Ärzte wird von den Kassen nicht gebührend entschädigt.
Ich bin gerne bereit, mir ein eigenes Bild der Lage zu machen und die vorhandenen Untersuchungsbefunde wie auch die bildgebende Diagnostik anzusehen.
Hoffentlich kann ich weiterhelfen!!!
Mit freundlichem Gruss
Dr._Hans, 8.7.2016
  1. vor über einem Monat
  2. Archiv Frag den Doktor
  3. # 1 3
odyssita_old Kein Ranking
Akzeptierte Antwort Pending Moderation
Lieber Dr._Hans,
ganz, ganz herzlichen Dank!
Viele Grüße,
odyssita
  1. vor über einem Monat
  2. Archiv Frag den Doktor
  3. # 1 4
  • Seite :
  • 1


Es gibt noch keine Antworten zu diesem Thema.
Sei der Erste, der antwortet!