Hallo Peter,
bei dem schlechter Wetter heute (Regen, Kälte und starker Wind) bin ich gerne zu Hause und möchte Dir heute auf Deinen letzten Beitrag antworten.
Deiner Beschreibung nach ist das Muskelzucken bei Dir doch etwas heftiger als bei mir, aber prinzipiell der gleiche Effekt. Darauf deutet auch die Tatsache, dass bei Dir die gleichen Maßnahmen helfen wie bei mir. Leider - und das hast Du ja auch schon festgestellt - kann man sich nicht darauf verlassen, dass alle "Rezepte" immer und vergleichbar hilfreich sind, d.h. sie sind leider nicht reproduzierbar, und das ist auch deshalb vor allem schlimm, weil sich keine Weisheiten davon ableiten lassen, um eine gute und dauerhafte Methode gegen das Muskelzucken zu entwickeln.
Es gibt für mich eigentlich nur eine Gewissheit bzw. aussichtsreiche Methode (und die kennst Du eigentlich ja schon von mir):
Wenn es mich des abends (tagsüber passiert gar nichts), liegend auf dem Sofa (beim lesen ect.) erwischt bzw. das Zucken des rechten betroffenen Beines beginnt, lasse ich es sich entwickeln bis hin zu einer leichten Spastik in die hinteren Oberschenkel-Muskeln über eine Zeit von ca. 30 - 40 Minuten. In dieser Zeit darf ich nicht aufstehen und rumlaufen, sondern bleibe tunlichs sitzen, weil sonst das Zucken aufhört. In dieser Zeit hebt sich auch manchmal wie im Krampf das Bein und streckt sich, aber je heftiger, desto besser!
Schmerzen o.ä. habe ich dabei nicht, nur meine Frau schaut dann immer sorgenvoll auf das sich windende Bein und das weitere Geschehen. Für mich bedeutet das Ganze "Gedöns" jedoch, dass ich mit sehr hoher Sicherheit ruhig über die Nacht komme. Von dieser Regel gab es in den letzten 10 - 12 Jahren höchsten zwei- bis dreimal eine Abweichung dahingehend, dass mein liebes rechtes Beinchen erst gegen morgens (ca. 7 Uhr) ein paarmal schwach zuckte, mehr nicht.
Dumm ist nur, dass ich das hilfreiche Beinzucken am Abend nicht triggern bzw. einschalten kann. Bisher habe ich kein Rezept dafür gefunden, wie ich es abends vor der Glotze bei der Tagesschau ans Zucken bringen kann. Ganz selten habe ich es erreicht, indem ich einfach sehr stark das Bein durchgestreckt habe und (im Gedanken) das Zucken herbeiführen wollte.
Ich habe Dir ja schon den Trick mit dem Tense-Gerät geschildert um das Zucken anzuregen, aber das hat nie geklappt.
Das Zucken ist jedenfalls für mich eindeutig eine Spastik, die sich im weiteren Verlauf immer mehr steigert und dann, durch Bewegung der Beine etc. wie bei Dir allermeist wieder weggeht. Dafür aber kurz vor dem Einschlafen zurückkommt, was wiederrum viele Stunden Schlaf kostet.
Überhaupt die Spastik: Ich bin am Rückenmark auf Höhe T 5-6 betroffen (durch einen Sturz bzw. Sprung vom Stuhl) und vergleichsweise noch ganz gut deshalb dran, weil ich ein normal starkes linkes und halbstarkes rechtes Bein zurückbehalten habe. Damit kann ich noch leidlich gut Strecken von ca. 2 km oder eine Laufzeit von 30-40 min bewältigen. Danach bin ich allerdings ziemlich am Ende, höchstens das radfahren geht dann noch ganz gut.
Mein Problem ist, dass mir das Laufen mit den Jahren immer mehr Mühe bereitet und das rechte teilgelähmte Bein immer schwächer wird. Bisher habe ich versucht, durch Krafttraining dem Kraftverlust entgegen zu wirken, aber es wurde eher immer schlimmer, und jetzt weiss ich gar nicht mehr, was ich noch machen soll.
Von Krafttraining wurde mir im Querschnittszentrum in Koblenz zwar dringend abgeraten, aber die haben mir dort soviel Mist erzählt und mich lediglich in den Rollstuhl therapiert, dass ich dazu kein Vertrauen entwickeln konnte. Und weil andere Neurologen mir das Krafttraining empfahlen, wollte ich das eher glauben, obschon es nicht gerade gemütlich ist. Na jedenfalls will ich nun annehmen, dass die Spastik im gelähmten Bein der Grund für den Kraftverlust ist, zudem es immer steifer wird und abends immer häufiger zuckt. Da schließt sich der Kreis.
Du selber schreibst, dass Du in Deinem letzten Urlaub (Mallorca) viel gelaufen bist. Hast Du eigentlich ähnliche Erfahrungen mit Kraftverlust und dgl. gemacht? Hilft Dir Krafttraining und wenn, welche Übungen sind dazu gut geeignet? Über Mangel an Spastik kannst Du Dich jedenfalls nicht beschweren, oder?
Ich mag auch keine Medikamente gegen die Spastik einnehmen, welche mir immer wieder von den Neurologen aufgedrängt wurden, weil ich ähnliche Erfahrungen wie Du damit gemacht habe. Aber so richtig weiss ich auch nicht, was - außer Übungen und viel Bewegung - die Spastik (sofern diese wirklich für den Kraftverlust verantwortlich ist) aufhält.
Ja und dann noch die Blase: Diese nervt mich ebenso wie bei den vielen anderen Leidgenossen auch. Ich habe mir vor ca. 2 Jahren eine sog. Sacrale Neurostimulation (SNM) ins rechte Gesäß implantieren lassen, wodruch kleine Elektrostöße den Sacralnerv dazu anregen (oder "erinnern"), seinen Dienst dergestalt zu tun, mich meine Blase endlich wieder komplett entleeren zu lassen und außerdem zu dem Zeitpunkt Ruhe zu geben, wenn ich ihr mit dem Wort "Schnauze" verbiete, mich mit einem Füllungsvolumen von ca. 300 ml Inhalt zu nerven und zum Klogang zu nötigen. Das Ganze kostet der Krankenkasse zwar ein Vermögen, hat aber nichts gebracht, nur dass ich das Scheisding jetzt dauerhaft mit mir rumtrage und nur noch rausoperieren lassen kann. MRT-Untersuchungen kann ich damit erstmal vergessen.
In der Schmieder-Klinik in Kosntanz habe ich aber feststellen können, dass die neurogene Blase es anderen Patienten (MS-,Parkinson-, Schlaganfall usw) viel schwerer macht als mir, und ich eigentlich noch ganz gut dran bin. Ohne Katheterisieren nachtsüber geht es aber auch nicht, und auf Botox, Emselect, Oxybutynin und Toviaz konnte ich bisher gut verzichten.
So, die Sonne ist rausgekommen, und ich habe mich jetzt genug in der Selbstdarstellung ausgelebt. Lass wieder bald von Dir hören,
Salieri