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Frag den Doktor

  1. Salieri Angesehener Autor
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  3. Donnerstag, 01. März 2018
Von einer Rückenmarksverletzung (RMV) auf TH6 vor ca. 8 Jahren blieb mir u.a. ein weitgehend intaktes linkes und ein halbstarkes gelähmtes rechtes Bein, so dass ich heute kurze Wegstrecken ohne Hilfsmittel laufen kann.
Nach dem Unfall waren zunächst beide Beine ca. 3 Monate lang nahezu vollständig gelähmt, danach erholte sich zunächst das eine (linke), mit Verzögerung von fast 2 Monaten dann auch das rechte Bein.
Montae danach steigerte sich die Laufleistung auf 3 km Wegstrecke innerhalb von 1 Stunde, danach fiel sie langsam immer mehr ab. Heute bin ich froh, wenn ich eine halbe Stunde lang ca. 1,0 km weit schaffe.
Meine Frage richtet sich sowohl an (ebenfalls) laufende RMV als auch an Dr._Hans:
Ich versuche seit einigen Jahren sehr intensiv, durch Kraftübungen alle relevanten Laufmuskeln zu trainieren. Dieses z.B. durch Radfahren (20 min lang), Kniebeugen (3 x 15 Stück), Treppensteigen usw.
Außerdem dehne ich jeden Tag alle Laufmuskeln und lasse sie mir dann und wann auch massieren.
Hinzu kommen Geschicklichkeitsübungen wie gehen durch unebenes Gelände, Einbeinstand (klappt nur ganz schlecht) und schwimmen.
Einen Erfolg dieser Bemühungen konnte ich jedoch in keiner Weise feststellen; der Prozess der Leistungsminderung läßt sich nicht stoppen.
Was mache ich falsch oder sollte ich stattdessen tun, um den Leistungsverfall wenigstens aufzuhalten?
Die Meinungen zum Training gelähmter Muskeln sind in der Fachwelt sehr widersprüchlich. Im QS-Zentrum Koblenz wurde mir dringend von Krafttraining abgeraten. In Heidelberg war das Gegenteil zu hören. Drei lauffähige RMV-ler, die ich bisher hierzu fragen konnte, bestätigten hingegen, dass Krafttraining sich eher kontraproduktiv auf Muskeln und - vor allem - die Laufleistung auswirken würde.
Von einem Physiotherapeuten, der viel mit RMV-Patienten arbeitet, wurde mir geraten, zweimal die Woche Krafttraining zu betreiben, um die Muskelkraft zu erhalten, mit Training darüber hinaus erreicht man eindeutig eine Kraftsteigerung.
Buchautoren mit RMV, die ebenfalls ans laufen kamen (Teuber, Holubeck usw.) erklären eindeutig, dass sie durch "hartes Training" kilometerweit laufen und sogar bergwandern könnten.
Was ist also zu tun bzw. richtig, um das bei RMV wenige an Muskelkraft erhalten zu können, damit die Laufleistung nicht ständig sinkt.
Erwähnen möchte ich hierzu noch, dass sich bei mir ca. 1/2 Jahr nach dem Unfall eine zunächst schwache Steifigkeit in den Knien, zuerst im starken linken, dann auch im schwachen rechten Bein einstellte.
Während Neurologen (nicht alle!) sofort auf eine Spastik ausmachten (gemäß dem Motto "mit dem Hammer in der Hand sucht und findet man nur den Nagel";), aber diese trotz heftigem Bemühens nicht auslösen konnten, wurde von Orthopäden eine Spastik ausgeschlossen.
Die anfangs nur gefühlte Steifheit in den Knien hat mit den Jahren stetig zugenommen, obwohl beide Beine (das starke linke Bein sowieso) während der Untersuchung komplett locker sind.
Es sind wohl die ischiocruralen Muskeln (Hamstrings), die für dieses Steifheitsgefühl sorgen, aber eine echte Laufbehinderung ist dieses m.M. nach nicht.
Deshalb auch die Frage: Muss man als lauffägiger RMV mit solchen Muskelversteifungen rechnen, ist das normal und wie kann man dagegen angehen?
Wieweit hilft Training, und welches ist besonders wirksam?
Wie kann ich den Leistungsabfall aufhalten?
Freundliche Grüße,
Salieri
Salieri Angesehener Autor
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Wenn man sich so bei den wenigen lauffähigen Rückenmarksverletzten (RMZ), die es überhaupt gibt, aber auch bei Leuten mit Schlaganfall, MS und anderen ZNS-geschädigten rumhört, ist doch in den überwiegenden Fällen fest zu stellen, dass Muskeltraining im engeren Sinne ( also nicht Muskelerhaltung, sondern Muskelaufbau) wenig bis gar nichts bringt.
Das deckt sich mit meinen bisherigen 8-jährigen Erfahrungen (wie oben bereits ausgeführt), und ich frage mich, ob die ganze Quälerei überhaupt etwas gebracht oder sich womöglich sogar kontraproduktiv ausgewirkt hat.
Letzteres auch insofern, weil ich nach solchen Tortouren allermeist für Stunden so groggy war, dass ich kaum einen Schritt gehen konnte.
Offenkundig hat sich diese fast schon banal anmutende Wahrheit in der Fachwelt noch nicht so richtig rumgesprochen, wird von doch Physiotherapeuten in aller Regel bei "ZNS-bedingten" Muskelschwächen zunächst mal ordentlich Krafttraining geübt und verordnet mit der für gesunde "Schwächlinge" bewährten Formel: "3 x 15 rauf und runter".
Orthopäden schließen sich in aller Regel gerne dieser Lebensweisheit "ordentlich auftrainieren das Ganze" an, während sich befragte Neurologen nach einigen Hm, Hm, Hm etwas zögernd, dafür aber einheitlich in den Begriff Spastik flüchten (weil man daran ja sooo wenig machen kann, leider.
Also Rezept zur Hand und Lioresal, Baclophen und ähnlichen Schwachsinn aufs Papier geschrieben.
Besagten Büchern von querschnittsgelähmten Autoren, die dank intensivem Muskeltrainings bis zur Selbstaufgabe nun in der Lage sind, 3.000 m Berge oder sogar den Kilimandscharo (> 5.000 m hoch) besteigen können, sind wohl auch ihr Geld nicht wert.
Was bleibt ist Verunsicherung, Frust und erhebliche Zweifel seitens der paar Lauffähigen bezüglich ihrer Bemühungen, das bisschen Rest an verbliebener Motorik zu fördern oder wenigstens zu erhalten.
Dazu muss auch noch der folgende, nur selten gutgemeinte Ratschlag ausgehalten werden:
"Seinse doch froh, datt se überhaupt noch laufen könn`, watt wolln se denn noch?"
Von einem Neurochirurgen war letzte Woche sogar zu vernehmen, dass es geradezu normal wäre, dass die bei RMV zurückerhaltene Lauffähigkeit wieder verloren geht. Und zwar deshalb, weil "man ja ständig kompensiere, und das (ähem) sei nicht so gut (usw. usw.), und deshalb landen alle sowieso letztlich wieder im Rollstuhl...".
Also keine guten Aussichten für uns: Statt Training und Quälerei lieber gleich in die Kiste!
Und weil man vieles aus der sog. Fachwelt eben "in der Pfeife rauchen" kann, sollte man besser diejenigen um Rat und Tipps fragen, die es wissen müssen, nämlich die wenigen laufenden RMV-ler (sofern man welche kennt oder noch besser, diese sich auch mal hier im Forum zu Wort melden).
Deshalb zum Schluß noch zwei Dinge:
Von Odyssita habe ich seinerzeit den sehr guten Rat bekommen, es doch mal mit sog. sensomotorischen Einlagen (smE) zu versuchen, die bei ihr einen positiven Effekt auf das Laufen hatten.
Ich kann den Rat nur dringend weitergeben, weil auch bei mir das Laufen bez. der Wegstrecken-Länge (Ausdauer) und des Gangbildes deutlich besser wurden.
Und wenn ich mal einen etwas weiteren Spaziergang vorhabe, von dem ich auch sicher wieder zurück komme (was nicht immer selbstverständlich ist), kombiniere ich die smE mit sog. Wippschuhen, die eine stark konvex gebogene Laufsohle (wie bei MBT-Schuhen) aufweisen und in denen man sich geradezu wie mit "Sieben-Mailen Stiefeln" vorankommt.
Etwas schwierig ist hierbei, das Gleichgewicht mit den Wippsohlen zu halten, aber nach rel. kurzer Zeit hat man das drauf und "segelt" geradezu auf den Tretern davon.
Viel Grück damit!
  1. vor über einem Monat
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  3. # 1 1
odyssita Star
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Hallo Hutsch,
wow, das klingt wirklich nach einem tollen Physio. :) Stark, und auch für mich sehr spannend zu hören. Danke für den Input!
Hippotherapie würde ich übrigens auch unglaublich gerne einmal probieren, das Konzept überzeugt mich auch. Das ist ohne Auto allerdings alles ziemlich schlecht erreichbar...
Liebe Grüße,
odyssita
  1. vor über einem Monat
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  3. # 1 2
Hutsch Autor
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Liebe Odyssita
Was du erzählst mit dem "Kompressionsanzug" / "Neoprenanzug" kann ich nur bestätigen bezüglich Propriozeption: ich muss leider/zum Glück immer "meinen" Physio zitieren: er empfahl mir Kompressionswäsche, um eben diesen Effekt zu erzielen, dass ich meinen Körper besser wahrnehme. So trage ich zeitweise die Sportwäsche von "skins" und es ist verblüffend wie ich dannn die Muskeln besser "ansteuern" kann.
  1. vor über einem Monat
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  3. # 1 3
odyssita Star
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Hallo miteinander,
ich will gerne auch meine Erfahrungen beitragen, auch wenn ich durch meine Grunderkrankung wahrscheinlich ein Sonderfall bin.
Auch bei mir nimmt die Laufleistung über die Jahre ab, und ich habe gemerkt, dass es mir besser geht und ich besser gehen kann, wenn ich mich weniger überlaste. Am besten laufe ich nach mindestens zwei Tagen Schonung. Wenn ich merke, dass es mir beim Gehen oder Stehen zu viel wird, muss ich wirklich schnell aufhören, sonst habe ich für mehrere Tage recht starke Schmerzen (die ich am ehesten den Muskeln zuordnen würde).
Vor einigen Jahren habe ich festgestellt, dass meine Beinkoordination noch fürs Schnorcheln (mit guten Flossen) ausreichend ist, was mich als alte Wasserratte sehr gefreut hat. Interessanterweise gehe ich nach dem Schnorcheln besser als vor dem Schnorcheln, und ein Schnorchelurlaub mit viel Zeit im Wasser ist für mich die beste Reha. Ich könnte mir insofern sehr gut vorstellen, dass an dem Prinzip, die Koordination zu trainieren, viel dran ist. Erfreulicherweise ermüde ich beim Schnorcheln auch viel, viel weniger als beim Gehen.
Ich habe einmal das Prinzip gehört, dass es bei einer Störung der Propriozeption (also der Lagesinn des Körpers) hilfreich sein kann, über die Haut zusätzliche Informationen für das Hirn zu bekommen, in dem Fall über das Wasser bzw. den Neoprenanzug. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch eine Rolle spielt - in dem Fall wäre zu überlegen, ob auch Kompressionskleidung einen positiven Effekt haben könnte? Zumindest gibt es bei meiner Grunderkrankung dazu positive Berichte.
Kürzlich ist mir eine weitere Sache aufgefallen. Im Rahmen einer Reha wurden mehrmals die Rückseiten meiner Beine massiert, an unterschiedlichen Tagen. Nach 50% der Termine bin ich danach ebenfalls deutlich besser gegangen als zuvor. Ich fragte die Therapeutin, ob ihr irgendwelche Unterschiede zwischen meinem schwachen und meinem starken Bein auffallen würden. Interessanterweise meinte sie, der Zwillingsmuskel sei durchgängig beim starken Bein viel mehr verhärtet gewesen als beim schwachen Bein. Tatsächlich gehe ich mit meinem starken Bein oft in innengedrehter Position (in die wohl dieser Muskel das Bein zieht). Mit gelockertem Muskel war nun mein starkes Bein viel weniger eingedreht und ich deutlich besser zu Fuß.
Ebenfalls hilfreich (allerdings nicht spezifisch auf die Weite der Gehstrecke bezogen) fand ich Stangerbäder mit tonuserhöhender Einstellung. Auch danach konnte ich besser gehen als zuvor.
Viele Grüße,
odyssita
  1. vor über einem Monat
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  3. # 1 4
Salieri Angesehener Autor
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Also, Dr._Hans hat bestimmt Recht mit der Empfehlung, die Muskeln, Sehnen und Bänder nicht übermaß zu beanspruchen. Bloß, wer weiss schon, wann er sich in diesem Bereich befindet. Und überhaupt: Laufen ist für mich seit meinem Unfall die wahre Lust!!!
Weil die Laufleistung häufig (und zunehmend) sehr stark schwankt, muss ich es Tag für Tag immer wieder wissen, ob ich noch in die Leistung der vorangegangenen Tage heranreiche, am besten aber noch übertreffe. Ich laufe also los so weit es geht und bewältige dann den Rückweg mit "toten" (dem rechten) Beinen.
Das ist alles sehr falsch und irrational, das ist mir klar.
Der mich seit einigen Jahren behandelnde Orthopäde (Neurologen lasse ich nicht mehr ran) warnt mich zwar auch regelmäßig vor der geschilderten Überlastung, kann aber nach regelmäßiger intensiver Untersuchung des Knies und anderer Gelenke nichts weiter finden. Auch durch Röntgen und MRT fällt nichts weiter auf. Der Muskel selber kann aber eigentlich keinen direkten Schaden nehmen, sofern er nicht schmerzt, was bei jedem Läufer dann rechtzeitig dazu führt, sein Laufpensum (bei mir Gehpensum) zu reduzieren.
Jdenfalls bin ich Dr._Hans und Hutsch erstmal sehr dankbar für ihre Beiträge, insbesondere auch deshalb, weil man so gut wie nichts über die Erfahrungen anderer laufender RMV-ler hört.
Ich werde mein bescheidenes Trainingspensum weiter pflegen, schon allein deshalb, um die Gelenke zu "schmieren" und die Muskeln zu bewegen. Schaden kann es jedenfalls nicht.
Die Sache mit dem Tretroller von Hutsch klingt aussichtsreich. Ich hatte vor Jahren schon mal davon gehört, dass ein verunglückter Bobfahrer mit QSL durch einen "Rolli" (so wird der hier genannt) enorme Lauffortschritte machte.
Lieber Hutsch, ich danke Dir ganz besonders dafür, dass Du hier im Forum durch Deine Berichte mit dem Rolli diese positive Wirkung auf die Laufleistung gerdezu bestätigst.
Weil die Dinger auch nicht unbedingt ein Vermögen kosten, werde ich mir allernächst so ein Gerät kaufen und ausprobieren.
Man stelle sich vor, ich werde durch ständigen Gebrauch des Rollers auch irgendwann bis zu 5 km weit laufen können, - Wahnsinn!!!
Abschließend würde ich auch gerne noch allen RMV gute Ratschläge und Tipps geben, wie sie ans Laufen kommen oder ihr Motorik noch verbessern können.
Für diejenigen, die erst seit kurzem im QS-Zentrum liegen und den dringenden Wunsch haben, wieder auf die Beine zu kommen kann ich nur empfehlen, sich auf keinen Fall entmutigen zu lassen und immer wieder zu probieren - auch mit starker Konzentration - Bewegung in die Beine zu bringen.
Am besten geht es am Barren: Wenn man Kraft in den Armen hat, sollte man (nicht nur einmal) versuchen, sich in den Stand zu hieven und sich dabei natürlich festzuhalten. Steht man einmal, laufen wichtige Nervensignale vom Kopf durch das RM in die Beine und wieder zurück. Ohne es zu wissen glaube ich heute fest daran, dass mich genau das letztlich auf die Beine gebracht hat.
Soviel erstmal, ich muss schauen, dass ich mir einen Rolli besorge ...
  1. vor über einem Monat
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  3. # 1 5
Hutsch Autor
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Mein Physio hat mir auch immer das gesagt, was Dr_Hans sagt: nicht übertreiben wenn die Muskeln nicht mehr können, damit nichts kaputt geht. Darauf hatte ich aber keine Lust: wenn ich länger gehen möchte, dann WILL ich das ob ich es kann oder nicht. Ich finde den Artikel nicht mehr: ein "Norddeutscher"? hat aus Carbon eine Fussheberorthese in Helix-Form. Er fährt Trottinett! Danach könne er besser gehen??? Tönt für mich total schräg und nicht nachvollziehbar. Ich dachte mir: "Nützt es nichts so schadet es nichts" wenn ich das mal ausprobiere. Anfänglich hatte ich extrem Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten und die Koordination mit den Beinen die nicht so tun wie ich will. Jedenfalls jedesmal nachdem ich Trottinett gefahren war und müde war ( anfänglich 100m) konnte ich trotz müden Muskeln besser gehen?? Irgendwie soll das wohl helfen im Kopf (?) den Nerven(?) Muskeln(?) keine Ahnung was? dass die Koordination (?) besser ist.
Vielleicht ähnlich zu erklären, warum man sich im Schritt aufs Pferd setzen kann und sich "nur" tragen lassen kann und danach die Gehbewegungen auch leichter fallen. Das Hirn hat dann die Abfolge "im Gefühl"???
Ich kann das alles nicht beschreiben; als ich den Artikel von dem Carbon-Orthesen-Trottifahrer las hat es mich gereitzt es auszuprobieren. Meine Muskeln sind deswegen nicht stärker geworden, aber das ganze Zusammenspiel geht besser und ich kann mit weniger Muskeln länger gehen. Eine Weil habe ich auch exzessiv trainiert und hatte eine "Gehstrecke" (mit Hilfsmitteln) von 5km. Jetzt ist dies nicht länger aber besser: ich bin danach auch müde aber der Körper fühlt sich nicht so ausgelaugt an und erholt sich viel rascher. Ich hatte Kraft ohne Ende: Fusspresse 150kg aber gehen konnte ich trotzdem nicht weiter. Und was hat mir das ganze Gewichtestämmen und "ich schaff das schon" gebracht? Einen Leistenbruch... Ich dachte viel Muskeln hilft, damit ich längere Strecken gehen kann.
Viel Erfolg beim Ausprobieren wo der goldene Mittelweg ist:smileywink: und "unkonventionelle" Mittel wie Trottifahren als Therapie ausprobieren - ich weiss nicht,ob das vielleicht auch für dich möglich ist? Ich versuche sicher 1x/Woche fahren zu gehen und ich muss alle ca 10 "Abstossschritte"das Bein wechseln, da ich im schwächeren nicht viel weiter schaffe aus Kraftmangel - obwohl ich 5km gehen kann. Sowas regt mich dann wieder auf, dass ich nur 10 am Stück schaffe. Mein Physio meinte ich soll nie soweit gehen bis ich nicht mehr kann, weil die Muskeln dann zu lange brauchen sich zu erholen, lieber Fusswechseln und rantasten wieviel am Stück es verträgt. (Mein Physio hat immer so super schlaue Iddeen - aber leider hat er immer Recht:smileyvery-happy:)
Lange Rede kurzer Sinn: ich glaube, dass manchmal weniger eben mehr ist - auch wenn ichs selber auch nicht schaffe:smileyhappy: toi-toi-toi:smileyhappy:
  1. vor über einem Monat
  2. Frag den Doktor
  3. # 1 6
Dr_Hans
Dr. Online
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Lieber Salieri!

Vielen Dank für Deine interessante Story. So wie Dir geht es noch manchem Querschnittgelähmten mit Restfunktionen. Ich habe schon ähnliche Geschichten gehört und darüber diskutiert. Eine generell gültige Antwort dazu gibt es aber wahrscheinlich nicht. Ich versuche weiter unten einige Aspekte dieses Problems zu erklären, die Forschung und damit auch die Literatur auf diesem Gebiet ist aber ziemlich spärlich.

Patienten mit Restfunktionen, die gerade an der Grenze der Gehfähigkeit sind, überfordern oft ihre Muskeln und auch ihre Gelenke und Bänder. Sie wollen sich unbedingt von den Rollstuhlfahrern abheben und beweisen, dass sie in der Lage sind, zu stehen und einige Schritte zu gehen. Sie werden dabei von Angehörigen motiviert, die kein Verständnis für die biomechanischen Belastungen haben, die z.B. an den Knien entstehen, wenn man diese statt mit Muskelkraft durch Überstrecken und „Stehen in den Bändern“ stabilisiert. Es kommt zu Überdehnung diese Bänder und der Gelenkkapseln und zur Überbelastung der Knorpeloberfläche des Gelenks mit entsprechenden Gelenksergüssen. Spätschäden werden vom Betroffenen völlig ausgeblendet, er will nichts davon wissen, er will nur beweisen, dass er gehfähig ist.

Selbsternannte Scharlatane, wie z. B. der zweite von Dir genannte Namen, missionieren mit ihrer eigenen Überschätzung der funktionellen Möglichkeiten und stiften andere Patienten an, es ihnen gleich zu tun, ohne Rücksicht auf deren soziale und familiäre Situation, nur um sich egoman im Fernsehen medial zu profilieren.

Muskeln lassen sich nur trainieren, wenn sich innerviert sind. Muskeln brauchen die Innervation durch die alpha-Motoneurone im Rückenmark als sogenannten „trophischen Faktor“, der ihnen das Überleben ermöglicht. Muskeln die diese Innervation verloren haben, sind schlaff gelähmt und atrophieren innert Tagen und Wochen.

Damit man die Muskeln auch willentlich bewegen kann, müssen (1) die Alpha Motoneurone überlebt haben und (2) muss das Gehirn die Kontrolle über die alpha-Motoneuronen haben. Oberhalb der Rückenmarksverletzung ist das kein Problem. Hier funktionieren die Muskeln normal. Unterhalb der Verletzung geht diese Kontrolle bei einer Rückenmarksverletzung oft ganz oder manchmal auch nur teilweise verloren.

Alpha-Motoneurone, bei denen die Kontrolle ganz verloren gegangen ist, entwickeln unwillkürliche Eigenaktivitäten, die sogenannte Spastik. (siehe auch https://community.paraplegie.ch/t5/K%C3%B6rper-Komplikationen/Spastik-bei-Querschnittl%C3%A4hmung/ta-p/1699)
Die Muskeln sind in der Lage sich zu bewegen, die Bewegungen folgen aber nicht unserem Willen sondern werden durch verschiedene innere und äussere Reize ausgelöst. Die Muskeln sind aber innerviert und atrophieren (schwinden) dadurch nicht.

Die noch willkürlich (willentlich) innervierten Muskeln (oder manchmal auch nur Teile von Muskelgruppen) unterhalb der Rückenmarksverletzung lassen sich trainieren und zeigen durch das Training auch mehr Kraft. Sie können hypertrophieren (voluminöser und kräftiger werden als normal). Damit können sie die nicht mehr innervierte Muskulatur teilweise oder manchmal auch ganz kompensieren. Es ist dadurch für gewisse Patienten möglich, wieder zu stehen oder mit Hilfsmitteln (Schienen, Krücken etc.) zu gehen. Damit die Muskeln in diesem Zustand bleiben, braucht es tägliches intensives Training, für das wir aber oft nicht genügend Zeit finden. Ohne dies fällt die Muskelmasse wieder auf das normale Mass zurück.

Was wir nicht genau wissen, ist, wie die Vernarbungsprozesse nach einer Verletzung im Rückenmark die noch vorhandene Muskelinnervation und die Spastik beeinflussen. Monate und auch Jahre nach einer Rückenmarkverletzung schreitet dieses Geschehen weiter fort und bringt ab und zu neue Symptome zum Vorschein, nicht immer nur positive. Die Bereiche mit fehlendem Gefühl dehnen sich aus, Spastik kann entstehen oder sich verstärken und die Bewegungsfähigkeit einschränken, die Lähmung kann sich weiter ausbreiten, Muskeln werden schwächer, eventuell entstehen neuropathische Schmerzen und vieles mehr. Ebenfalls werden wir alle älter (und schwerer) und auch dadurch nimmt die Leistungsfähigkeit der Muskulatur generell ab.

Wenn sich die Lähmung zunehmend nach oben (Richtung Kopf) ausdehnt und vorher funktionierende Muskeln plötzlich gelähmt sind, ist dies ein Alarmzeichen, das genauerer Abklärung bedarf. Die Ursachen sind eventuell behandelbare Prozesse im Rückenmark, die diese klinische Verschlechterung hervorrufen. Möglich wären eine Syringomyelie, Blutungen oder Durchblutungsstörungen im Rückenmark, oder auch Tumoren bzw. Metastasen. Eine Untersuchung mittels MRI kann eine solche gefährliche Pathologie ausschliessen. Eine Syringomyelie beginnt häufig am Ort der Verletzung des Rückenmarks, wahrscheinlich durch eine Störung des Liquorflusses rund um das Rückenmark. Das Fortschreiten der Syringomyelie kann heute durch eine neurochirurgische Intervention unterbrochen werden.

Einige dieser Mechanismen erklären vielleicht die Veränderungen, die Du über die lange Zeit als querschnittgelähmter Patient beobachtet hast. Für andere haben wir heute noch keine plausiblen Erklärungen. Meine persönliche Empfehlung zur Erhaltung der körperlichen Leistung wäre: regelmässiges moderates körperliches Training, ohne bodybuilderische Ambitionen. Danach auch regelmässiges Dehnen (Stretching) zur Erhaltung des Bewegungsumfangs der Gelenke. Dehnen reduziert die Spastik. Dabei muss man aber bedenken, dass Dehnen auch die maximale erreichbare Muskelkraft leicht reduziert. Keine übermässig langen Gehstrecken überwinden wollen, aufhören, wenn die Muskeln nicht mehr mögen, zum Schutz der Gelenke, Bänder und des Gelenkknorpels.

Eine Alternative ist das Tragen von Gehapparaten, die den Bewegungsumfang begrenzen und einen Teil des Körpergewichts ableiten. Bei unseren Patienten sind diese aber nicht so beliebt, weil umständlich anzuziehen und zu bedienen.
Die Zukunft wird zeigen, was von den Exoskeletten zu erwarten ist, die in solchen Situationen wahrscheinlich die beste Lösung wären.

Soviel für dieses Weekend! Ich bin gespannt, wer sich zu diesem Thema auch noch äussern möchte und seine Erfahrungen und Ratschläge einfliessen lässt.

Es grüsst Euch:

Dr_Hans, 2.3.2018
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