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Virtual Walking – das Gehirn austricksen, um chronische Schmerzen nach einer Querschnittlähmung zu lindern

Studien zeigen, dass rund 75 Prozent der Querschnittgelähmten unter chronischen Schmerzen leiden, oft in Körperbereichen, die sie ansonsten nicht mehr spüren. Tatsächlich kommt der Wunsch nach Schmerzlinderung oft vor dem Wunsch, wieder gehen zu können.

Nun hat das Zentrum für Schmerzmedizin in Nottwil in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern einen innovativen Therapieansatz entwickelt: das «Virtual Walking», also virtuelles Gehen. Es soll das Gehirn austricksen, um chronische Schmerzen zu reduzieren. Wie funktioniert es?

Zunächst setzt sich der Patient auf einen umgebauten Elektrorollstuhl. Auf seine Beine legt er ein grünes Leintuch. Eine Kamera filmt seinen Oberkörper von vorne. Dieses Bild wird auf eine Leinwand vor dem Patienten projiziert und dort virtuell auf zwei gesunde, laufende Beine gesetzt. Dann fängt der Elektrorollstuhl an, die Beckenbewegungen beim Laufen nachzuahmen, indem der Sitz auf und ab schwankt – so spürt und sieht sich der Patient auf der Leinwand, wie er in einem Wald spazieren geht.

Doch inwiefern wirkt es schmerzlindernd, wenn man sich selber laufen sieht? André Ljutow, Chefarzt des Zentrums für Schmerzmedizin am Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil, erklärt: «Ein Querschnittgelähmter sieht zwar seine Beine, spürt sie aber nicht. Das erzeugt einen Konflikt im Gehirn, denn die Informationen aus dem Nervensystem sind widersprüchlich. Dies führt zu den Schmerzen.» Der Anblick des eigenen Körpers von aussen, während er wie früher mit den Beinen geht, soll das Gehirn von diesem Widerspruch entlasten.

Der erste Prototyp im SPZ Nottwil ist weltweit einzigartig. Erste Erfahrungen mit der Methode sind vielversprechend. Doch noch steckt das Projekt in der Anfangsphase. «Die Therapie funktioniert nicht bei allen Arten von Schmerzen, ausserdem muss die Person auch psychisch stabil sein, da sie sich wieder gehend sieht.», so André Ljutow.

Marc Elmer, 32-jähriger Schmerzpatient aus Glarus, hat die Therapie bereits abgeschlossen und ist sehr zufrieden: «Es ist eine super Sache, sich wieder laufen zu sehen. In kleinen Schritten habe ich ausserdem eine Schmerzlinderung gespürt und die Schmerzspitzen haben sich reduziert, schon das ist ein Erfolg.» Ob die Linderung in Zusammenhang mit der Therapie steht, wisse er zwar nicht. «Doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und ganz verschwinden wird der Schmerz wohl nie.»

Mehr über Virtual Walking und die Erfahrungen von Marc Elmer gibt es unter diesem Link und unten im Video.

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