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Gesellschaft

Wer vertritt unsere Interessen am besten?

Die Frage nach Legitimität in Politik und Forschung

Die Frage nach Legitimität in Politik und Forschung

Als sozialwissenschaftliche Forscherin im Bereich Querschnittlähmung habe ich mich am Anfang oft etwas fehl am Platz gefühlt. Wie sollte denn ich, die weder das medizinische Fachwissen noch persönliche Erfahrung im Umgang mit Querschnittlähmung mitbringt, zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Querschnittlähmung beitragen? Inzwischen habe ich zwar meinen Platz gefunden und lasse mich von Kommentaren wie „Du weisst doch gar nicht, wie es sich anfühlt“ oder „Die Theorie ist ja ganz spannend, aber in der Praxis sieht das anders aus“ nicht mehr verunsichern. Dennoch überlege ich mir manchmal, ob eine medizinische Fachausbildung oder gelebte Erfahrung mir mehr Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft verschaffen würden.

Anlässlich der österreichischen Nationalratswahlen vor ein paar Wochen habe ich mich wieder vermehrt mit diesem Thema der Legitimität beschäftigt. Ohne nun im Detail auf die Ergebnisse der Wahl einzugehen, war für mich vor allem die Nominierung von Kira Grünberg (23) eine Überraschung. Die seit einem Trainingsunfall querschnittsgelähmte Stabhochspringerin kandidierte auf der Liste des ÖVP-Chefs Sebastian Kurz (31). In den Medien wurde diese Nominierung und auch Kiras Eignung als Behindertensprecherin der Fraktion diskutiert, vor allem in den Leserkommentaren (siehe Die Presse und Der Standard). Auch der Trend der immer jünger werdenden Nationalratsabgeordneten und die Eignung von sogenannten Quereinsteigern wurden vermehrt thematisiert.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb:

„Die 23 Jahre alte Frau erklärte, sie habe durch ihren Unfall vor zwei Jahren so viele Erfahrungen mit den Hindernissen, den Hürden im Leben einer Behinderten gesammelt, dass sie für Barrierefreiheit und ein Umdenken eintreten wolle.“

Ohne die Leistungen von Kira Grünberg oder ihre Eignung in Frage stellen zu wollen, war mein erster Gedanke „Was sind denn schon zwei Jahre?!“ – besonders für jemanden, der sich zuvor nicht mit der Thematik auseinandergesetzt hat.

Ich möchte hier keine politische Diskussion anzetteln, würde mich aber sehr für Eure Meinung zu dem Thema interessieren. Was schafft Legitimität in Politik und Forschung? Muss ein Behindertensprecher selber eine Behinderung haben? Was für eine Rolle spielen Fachwissen, Berufserfahrung, Alter und Lebenserfahrung mit der Behinderung?

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