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Porträts & Geschichten

Mama mit Herz und Rezept

Simone Schröter-Buess erzählt aus ihrem Alltag als «Paramama».

Simone Schröter-Buess erzählt aus ihrem Alltag als «Paramama».

Simone Schröter-Buess ist zweifache Mutter und berufstätig. Ihr Alltag meistert sie trotz zahlreicher Herausforderungen mit viel Elan und Leidenschaft. Ihr Rezept: Eine gute Organisation, Struktur, Unterstützung im Alltag und das Einfordern der eigenen Bedürfnisse.

Mit einem Strahlen im Gesicht öffnet mir Simone die Tür zu ihrem gemütlichen Zuhause im luzernischen Horw. Im Wohnzimmer klimpert der der zweijährige Jan vergnügt auf der Kinder-Gitarre. Simones Assistentin, die sie zweimal pro Woche unterstützt, nimmt den kleinen Blondschopf nach draussen und wir können ungestört sprechen. Tim, der ältere Sohn, sei in der Waldspielgruppe, zum letzten Mal, denn nach den Ferien komme der fast 5-jährige in den Kindergarten. Wie die Zeit mit Kindern doch rase, meint Simone und spricht mir direkt aus meinem Mutter-Herz. Das Eis ist gebrochen, denn unter Müttern gibt es viel zu berichten.

Der Wunsch nach Familie

Ein Snowboardunfall hat das Leben der jungen Frau vor 17 Jahren auf den Kopf gestellt. Ihre Lebensfreude ist ihr definitiv nicht abhandengekommen und eine neue Berufung hat sie ebenfalls gefunden: Auf dem zweiten Bildungsweg absolvierte Simone die Lehre als Kleinkinderzieherin. Ein paar Jahre später lernt sie die Liebe ihres Lebens kennen: «Dani und ich hatten von Anfang an den Wunsch eine Familie zu gründen.» Simone hat sich viele Gedanken zum Mutter werden gemacht: Will ich das überhaupt, kann ich den Alltag mit Kindern im Rollstuhl bewältigen, welche Hilfsmittel benötige ich und wo brauche in Unterstützung. Kinder verändern die Partnerschaft, das ist kein Geheimnis. Daher wollten auch Simone und Dani ihre Beziehung geniessen und mit besonderen Momenten festigen. Vor der Geburt ihrer Söhne haben sie dafür eine längere Reise durch Amerika gemacht.

Vorbereitungen – das A und O

Simones Schwangerschaften verliefen gut. So auch die Geburten: Tim wird 2012 und Jan 3 Jahre später geboren. Beide Jungs kamen termingerecht und auf natürlichem Weg zur Welt. Sie habe sich während ihrer Schwangerschaften wenig mit anderen Frauen ausgetauscht, sondern auf ihre Erfahrungen und ihr Wissen vertraut. Medizinisch fühlte sie sich sehr gut betreut. Ihr Gynäkologe sei kein Experte für Frauen mit Querschnittlähmung, habe sich aber bei Spezialisten die nötigen Infos geholt. Die Vorbereitungen auf die Geburt gaben ihr viel Sicherheit. Wichtig war Simone der Besuch der Klinik, in der sie gebären würde. Sie wollte sich vor Ort ein Bild machen und Hemmschwellen abbauen. Nicht ihre eigenen, wie sie sagt, sondern die der Belegschaft: «Ich habe einfach gesagt, was ich brauche und was ich mir wünsche. Man hat mich beim Rapport vorgestellt und so wussten beide Seiten, was sie erwartet.» Mit ihrem Mann hat sie einen «privaten» Geburtsvorbereitungskurs besucht. Einen nur für sie beide, bei dem sie keine neugierigen Fragen von Fussgängern beantworten musste.

Und jetzt?

Simone arbeitet drei Tage pro Woche als Gruppenleiterin in einer Kita in St. Urban. Sie ist sozusagen ein Profi in der Kindererziehung und meint, dass ihr die Erfahrungen aus dem Berufsalltag geholfen hätten. Sie konnte sich ein Bild davon machen, was sie erwartete als Mutter. Wie es mit dem eigenen Baby sein würde konnte Simone aber nicht voraussehen: «Ganz ehrlich, als ich mit Tim aus dem Spital kam dachte ich: Was mache ich jetzt? Vor allem das Stillen fiel mir sehr schwer.» Als Tim zwei Monate alt war hatte Simone einen Eingriff. Nach dem Spitalaufenthalt hat sie mit dem Stillen aufgehört – eine grosse körperliche Erleichterung für Simone. Für sie ist klar, jede Mutter und jedes Kind ist anders. Die Aufgaben und Herausforderungen als Mutter seien auch nicht mit denen im Job als Kleinkinderzieherin zu vergleichen, bei dem man viel als Team mache: «In der Kita sind wir zu zweit oder zu dritt und gestalten den Tag mit bis zu 12 Kindern gemeinsam. Zu Hause bin ich alleine und einzige Bezugsperson. Die Emotionen der Kinder prallen alle an mir ab.»

Der Alltag fordert

«Ich mache mir wirklich sehr viele Gedanken und versuche voraus zu denken – aber nicht alles hat mit dem Rollstuhl zu tun. Jede Mutter muss sich doch überlegen, wo es Gefahren für ihr Kind gibt und wie sie diese verhindern kann.» Simone geht mit Tim und Jan auch alleine weg, zum Beispiel ins Verkehrshaus Luzern. Dort kann sie die Gefahren abschätzen und verantworten. Die Kinder müssen dann klaren Regeln folgen: «Wenn ich etwas sage, gilt das. Da gibt es kein Wenn und Aber und nur eine Chance. Wenn sie nicht kooperieren, packen wir zusammen und gehen. Meine Kinder wissen: Ich bin ein liebevolles aber sehr konsequentes Mami.» Sie versuche viel mit den Kindern zu sprechen und ihnen zu erklären, dass ihre Mama gewisse Dinge nicht tun kann. Manchmal scheitert ein Vorhaben aber schon beim Parkieren: «Wenn ich irgendwo hingehe muss ich genau wissen, wo es ein genügend grosses Parkfeld gibt. Ich muss auf jeder Seite des Autos ein Kind ausladen können. Sonst muss mir jemand dabei helfen.»

Hilfe annehmen

Nach zweieinhalb Jahren musste sich Simone eingestehen, dass sie Hilfe im Alltag braucht: «Mein Mann arbeitet sehr viel unter der Woche, ist aber am Wochenende voll für die Familie da.» Die Unterstützung sei aber nicht nur für sie notwendig, sondern auch für ihre Söhne: «Kinder brauchen enorm viel Bewegung und dieses Bedürfnis kann ich nicht voll erfüllen.» Nun hat sie zweimal pro Woche eine Assistentin und die sei Gold wert: «Sie unterstützt mich in der Reinigung, beim Einkaufen und entlastet mich punktuell mit den Kindern. Bei Ausflügen, die ich nicht alleine machen kann, kommt sie ebenfalls mit. Wenn sie mal alleine ist mit den Kindern, weiss sie was Dani und mir wichtig ist.» Bei Simone ist Sicherheit ein grosses Thema: «Wir wären nie ohne Begleitung in die Ferien ans Meer gefahren. Am Wasser braucht es eine eins-zu-eins Betreuung. Sonst kann es schnell zu spät sein», sagt Simone mit Nachdruck.

Eigene Bedürfnisse anmelden

Simone weiss was sie will und was sie braucht. Sie hat nicht nur Hilfe geholt, sie holt sich auch ihre Zeit und Zeit alleine mit ihrem Mann: «Manchmal gehen Dani und ich nur kurz irgendwo essen, um mal in Ruhe miteinander zu sprechen. Oder ich gehe in den Ausgang und die Jungs freuen sich auf den Männerabend mit Papa und Popcorn», lacht Simone. Diese Auszeiten seien sehr wertvoll für die ganze Familie. Simone möchte dieses Bewusstsein auch anderen Frauen mit auf den Weg geben: «Vor allem Frauen mit einer Behinderung müssen sich mitteilen und sagen was sie brauchen. Sonst gehen Sie unter.»

Abschliessend zu unserem Gespräch meint Simone: «Mama im Rollstuhl zu sein ist eine grosse Verantwortung. Da ist es schlussendlich aber für jede Mutter. Zudem müssen Tim und Jan selbständiger sein als andere Kinder. Sie tun es aber gerne und sind stolz und happy dabei. Ich bin sicher, dass wir es auch deswegen als Familie so gut haben.»

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