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Rückenmark: Die Reparatur beginnt

Die Fondation Internationale de Recherche en Paraplégie – kurz IRP – hat am Freitag, 24. Juni 2016, wieder ihren, in der Welt der Neurowissenschaften bekannten IRP Schellenberg Preis vergeben. Träger des Preises von 100'000 Franken, die natürlich in die Forschung fliessen, ist der 67-jährige Wissenschaftler Martin Schwab – Professor an der ETH sowie Universität Zürich und überdies Ehrendoktor.

Das Rückenmark kann sich regenerieren

Schwab hat wesentlich zum Aufkommen der Neurowissenschaften beigetragen. Noch bis in die 1980er-Jahre galt das Zentralnervensystem als grundsätzlich irreparabel und daher uninteressant für ehrgeizige Wissenschaftler. Mit diesem Dogma haben Martin Schwab und seine Mitstreiter am Zürcher Hirnforschungsinstitut aufgeräumt. Im Experiment wiesen sie nach, dass selbst im Rückenmark die Regeneration verletzter oder durchtrennter Nervenfasern möglich ist. Sie konnten auch zeigen, dass die Nervenfasern so nachspriessen, dass sich eine funktionelle Erholung einstellt. Betroffene Patienten gewinnen also verlorene Funktionen wieder zurück.

Lange blieben diese bahnbrechenden Erkenntnisse im Labor stecken. Jetzt ist es aber so weit: Die Therapie mit den sogenannten Nogo-A-Antikörpern tritt im dreistufigen Zulassungsverfahren in Phase II: Menschen, die sich eben eine Rückenmarkverletzung mit nachfolgender Querschnittlähmung zugezogen haben, werden die Antikörper direkt – intrathekal – ins Rückenmark eingeführt. Bei diesen Versuchen geht es um die Wirksamkeit, nachdem sich in Phase I die Verträglichkeit der Antikörper als gut erweisen hat. Das Testverfahren ist anspruchsvoll, und die restriktiven Vorgaben der Ethikkommissionen sind strikt einzuhalten. Mit abschliessenden Urteilen zur neuen Therapie ist gemäss Plan 2020 zu rechnen. Der Übertritt vom abstrakten Gedankenspiel zur konkreten Tat ist aber vollzogen. Adolf Ogi, der populäre alt Bundesrat, würde auch hier sagen: «Freude herrscht!»

Der Balgrist testet an Patienten

Das Zentrum für Paraplegie Balgrist in Zürich unter der Leitung von Prof. Dr. Armin Curt führt die Phase-II-Versuche in der Schweiz durch. Es war somit naheliegend, Martin Schwabs Entdeckung im vor einem halben Jahr eröffneten Balgrist Campus zu würdigen. Rund 180 Interessierte kamen zum feierlichen Anlass. Sie bezahlten dafür gerne 300 Franken und kauften überdies Lose. Christian Wenk, selbst Paraplegiker, Arzt und begnadeter Klavierspieler, verwöhnte die Gäste akustisch, das Hotel The Dolder Grand kulinarisch.

«Nottwil» war mit Gerold Stucki, Mirjam Brach, Thomas Troger und Erwin Zemp prominent vertreten. Zu den bekannten Gästen und Botschaftern im Rollstuhl gehörten Felice Mastrovita, der aktuelle Schweizer «Mister Handicap», sowie Edith Wolf-Hunkeler, die als schönste Rollstuhlsportlerin vorgestellt wurde. Schön ist sie, weil sie wie Felice auch sympathisch ist. Sie zog um 22 Uhr die Gewinnerlose. Damit ging ein schöner und für die Forschung in Paraplegie in jeder Hinsicht einträglicher Abend zu Ende.

Zur Fondation IRP Genève

Alles geht auf zwei kluge und grosszügige Paraplegiker zurück: Den Zürcher Unternehmer Ulrich Schellenberg, der sich 1977 eine Querschnittlähmung zugezogen hat, sowie den Genfer Arzt und Professor Alain Rossier, der 1956 verunfallte. Schellenberg initiierte 1991 die Gründung der Internationale Stiftung für Forschung in Paraplegie (IFP). Den Impuls dazu lieferte Martin Schwab mit seinen damals völlig neuen Erkenntnissen über die Regenerationsfähigkeit des Rückenmarks. 1995 liess er zusammen mit seinem Freund Alain die Schwesterstiftung Fondation Internationale de Recherche en Paraplégie entstehen. 2014 fusionierten die beiden Stiftungen. In Gedenken an den 2001 verstorbenen Ulrich Schellenberg verleiht IRP seit 2003 ausgewählten Wissenschaftlern den Schellenberg Preis für aussergewöhnliche Leistungen. Eine neue Broschüre stellt die 15 bisherigen Preisträger und ihr Wirken leicht verständlich vor.

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