To Homepage
Archiv Blog

Schmerzen kommunizieren und verstehen

Autorin der Zusammenfassung: Claudia Zanini (Schweizer Paraplegiker-Forschung)
Originalartikel: Maino P, Zanini C. Il dolore tra medico e paziente, come comunicarlo, come comprenderlo. Rivista per le Medical Humanities. 2013;24(7):16-23.
 

Bei chronischen Schmerzen spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle, denn um eine Diagnose zu stellen und eine Behandlung vorzuschlagen, braucht der Arzt eine Einschätzung des Patienten, und ausserdem erachten Patienten die Kommunikationsfähigkeit des Arztes als sehr wichtig. Daher müssen die Kommunikation und die Hilfsmittel, die sie erleichtern, unbedingt verbessert werden, damit sich Ärzte und Patienten mit chronischen Schmerzen besser verstehen.

Was war das Ziel dieser Studie?

Chronischer Schmerz ist in der heutigen Gesellschaft ein zunehmendes Problem: Schätzungen zufolge leidet in Europa jeder Fünfte daran. Obwohl es Richtlinien für die Behandlung und Instrumente für die Messung von Schmerzen gibt, zeigen viele Studien, dass Patienten mit chronischem Schmerz häufig nicht angemessen behandelt werden. Es ist allerdings wichtig, eine geeignete Therapie zu finden, denn die Folgen von chronischem Schmerz – wie verminderte physische Leistung, Depression, Angstzustände und Schlaflosigkeit –, beeinflussen die Lebensqualität der Menschen wie auch ihre Leistungsfähigkeit. Physische Unfähigkeit kann zu wirtschaftlichen Verlusten und einer Überbeanspruchung von Gesundheitsleistungen führen.

In dem Artikel reflektieren die Forscher über die Ursachen für die unangemessene Behandlung von Schmerzpatienten und stellen Ideen vor, um die Situation zu verbessern.

Wie sind die Forscher vorgegangen?

Als Grundlage für ihre Studie nahmen die Forscher Daten aus der wissenschaftlichen Literatur.

Was haben die Forscher entdeckt?

Hauptgründe für die unangemessene Behandlung von Schmerzpatienten

Kultureller Grund: In unserer Gesellschaft wird Schmerz als Teil des Lebens angesehen. Patienten geben sich Mühe „gute“ Patienten zu sein und versuchen, den Schmerz stoisch auszuhalten, bis dieser möglicherweise unerträglich wird und sie schliesslich doch einen Arzt aufsuchen. Zudem schreiben viele Religionen dem Schmerz eine spirituelle Dimension zu, die ihn fast erstrebenswert macht, um sich einem transzendenten Zustand anzunähern. Im Gegensatz dazu bekräftigten im vergangenen Jahrzehnt mehrere internationale Vereinigungen und Organisationen, dass die Linderung von Schmerzen Teil der Menschenrechte ist und dass Ärzte dieses Ziel verfolgen müssen.

Institutioneller Grund: Gesundheitsrichtlinien, die den Gebrauch von Betäubungsmitteln einzudämmen versuchen, reflektieren häufig die in der Gesellschaft herrschenden Vorurteile und unterscheiden offenbar nicht zwischen Sucht und therapeutischem Gebrauch. Ausserdem haben einige Studien festgestellt, dass die Ausbildung der Gesundheitsfachpersonen oft nicht dem letzten wissenschaftlichen Kenntnisstand über Schmerztherapie entspricht.

Praktischer Grund: Ärzte und Patienten haben Schwierigkeiten, Schmerz zu kommunizieren und zu messen. Der Grund dafür ist, dass sich die Bewertung des Patienten nicht durch die Betrachtung physiologischer Parameter ersetzen lässt (z.B. existiert kein Thermometer, um Schmerz zu messen). Für Ärzte kann es schwierig sein, sich auf die Aussagen des Patienten zu verlassen, denn sie sind es gewohnt, den Schweregrad eines Gesundheitsproblems mithilfe der Betrachtung objektiver Parameter zu beurteilen.

Vorschläge für eine bessere Behandlung von Schmerzpatienten

Systematische Verwendung der Instrumente zur Schmerzmessung: Es gibt diverse Instrumente, um den Schmerz eines Patienten quantitativ zu bestimmen. Eines davon ist die verbal-numerische Schmerzskala, bei der Patienten ihr Schmerzniveau angeben, indem sie die Zahl ankreuzen (von 0 = kein Schmerz bis 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz), die ihrem Gefühl am besten entspricht. Einige Studien haben gezeigt, dass in Europa nur wenige Ärzte solche Instrumente benutzen. In den meisten Fällen erfolgt die Bewertung des Schmerzes durch eine Selbsteinschätzung des Patienten oder durch eine Einschätzung des Arztes, basierend auf der Betrachtung physiologischer Parameter.

Verbal-numerische Schmerzskala (Quelle: Aktuelle Gesundheitsnachrichten, Heft 13/2014)

Patienten nach einer Beschreibung des Schmerzes fragen: Da die Bewertung des Schmerzes hauptsächlich auf der Empfindung des Patienten basiert, ist es wichtig, dass die Gesundheitsfachpersonen die Patienten dazu ermutigen, sich frei auszudrücken, und ihnen erklären, dass ihre Einschätzung für die Wahl der angemessensten Behandlung nützlich ist.

Einige Gesundheitsrichtlinien überarbeiten: Die aktuell gültigen Gesundheitsrichtlinien behindern die Umsetzung der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, welche die Gabe von Opioiden zur Behandlung von mässigen oder starken chronischen Schmerzen vorsehen. Diese Gesetze könnten überarbeitet werden, um den therapeutischen Gebrauch von Opioiden zu erlauben.

Was bedeuten die Ergebnisse?

Bei chronischen Schmerzen spielt die Kommunikation aus zwei Gründen eine besonders wichtige Rolle. Erstens wird Schmerz mithilfe von Kommunikation gemessen: Damit der Arzt eine Diagnose stellen und eine Behandlung vorschlagen kann, braucht er eine Einschätzung des Patienten. Der zweite Grund liegt in der Bedeutung, die Patienten der Kommunikationsfähigkeit des Arztes beimessen. Es ist unbedingt notwendig, diese während der medizinischen Ausbildung systematisch zu entwickeln, um eine einladende und angenehme Atmosphäre für die Schmerzpatienten zu schaffen. Kommunikation und die Hilfsmittel, die sie erleichtern, sind der Schlüssel, um Ärzte und Patienten mit chronischen Schmerzen näher zusammenzubringen.

Kommunikation zwischen Arzt und Patient (Quelle: ePharma Summit blog)

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv