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Sprechen wir über den Alltag und seine Nöte!!

Natürlich haben wir alle unsere medizinischen Nöte. Deshalb gehen wir gerne und recht häufig zum Online-Doktor. Dr_Hans, wie er sich nennt, weiss auch viel und beantwortet Fragen jeweils erschöpfend. Bei ihm lassen wir die Hose runter, manchen ist er sogar Retter in der Not.

In der Not sind wir aber nicht nur medizinisch. Das Leben bringt jeden Tag grössere und kleinere Nöte mit sich. Immer wieder beklemmen uns die Lebensumstände, stehen wir im Zwiespalt, wie wir uns in peinlichen Alltagsgegebenheiten am besten verhalten, wie wir verunsicherten Mitmenschen offen, aber nicht aufsässig begegnen. Davon ist indessen kaum die Rede in diesem Forum. Die Hose bleibt zugeknöpft.

Im Umgang mit zwiespältigen Alltagssituationen, aber auch anspruchsvollen und wegweisenden Lebensfragen scheinen der Rat und der Austausch mit andern nicht wirklich gefragt zu sein: Ein blitzgescheiter Freund von mir mit unfallbedingter Paraplegie bewarb sich vor Jahren bei Max Havelaar als Geschäftsführer. In der Bewerbung wies er auf seine Doktorwürde und mehrjährige operative Führungserfahrung in einem Pharmakonzern hin. Seinen ständigen Begleiter, den Rollstuhl, verschwieg er aber. Erst nach dem Interview erzählte er mir davon. Er war enttäuscht, denn sie nahmen ihn nicht. Er hat sie auch dumm brüskiert, meine ich. Unsere Lebensumstände lassen sich nicht verbergen. Das gilt auch dann, wenn mich ausgerechnet der die Treppe hochzieht, den ich als Vereinspräsident in der anschliessenden Sitzung aus dem Vorstand schmeissen muss. Da fühle ich mich nicht wohl in meiner Haut. Etwas mulmig war mir auch, als ich unlängst meinem, inzwischen leicht gehbehinderten ehemaligen obersten Chef begegnete. Er begrüsste mich überschwänglich und bestand darauf, mir an meinem Ziel aus dem Tram zu helfen. Ich verwies auf die jungen Leute, die ebenfalls im Wagen sassen, und erklärte, meinetwegen brauche er keinen Umweg zu machen. Er erwiderte, er sei schon immer zu mir gestanden und tue das selbstverständlich auch im hohen Alter. Diese Aussage machte ihn nicht kräftiger, rührte mich aber sehr. Gereizt war ich dagegen, als der einzige Chauffeur am Bahnhof einer Kleinstadt stark hinkend aus seinem Taxi, einem A-Klasse-Mercedes, stieg. Nur mit Mühe kam ich auf den für mich zu hohen Sitz. Helfen konnte er mir nicht. Den Rollstuhl musste ein Passant in den Kofferraum hieven. Erst als wir endlich losfuhren, sah ich, dass er links eine eiserne Handprothese hatte. Ich schmollte. So ein Krüppel braucht weiss Gott nicht Taxi zu fahren, dachte ich, schwieg aber. Und schliesslich bei anderer Gelegenheit: Ich muss über den Randstein, kann das aber nicht alleine. Zur Stelle ist nur eine zierliche junge Frau. Sie steht kaum meinetwegen da, auch wenn ich mir das wünschte. Ist der Randstein meine Chance, mit ihr anzubandeln?

Wir sind oft genauso verunsichert wie unsere Mitmenschen. So treten wir ihnen gegenüber vielfach zu forsch oder zu schüchtern auf. So verkorksen wir's und schaffen neue Nöte. Es würde sich lohnen, nicht nur über Medizinisches zu sprechen: Zum Abbau und zur Vermeidung von Nöten!
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