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Martin und die Donau

«Ein Gedanke, eine Idee, ein Wunsch – wir haben so viel Energie in uns»

Ein Erlebnisbericht von Martin Senn: eine Reise entlang der Donau – von Donaueschingen bis Budapest im Rollstuhl (Reisebericht in 4 Teilen)
Autor: Martin Senn, 36 Jahre, seit 2001 querschnittgelähmt nach einem Kletterunfall am Bürgenstock; Berufe: Metallbauschlosser, nach dem UnfallWeiterbildung zum Maschinenbautechniker, heute Jobcoach.

Martin Senn berichtet über seine Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse auf seiner achtwöchigen Reise mit dem Rollstuhl von Donaueschingen bis Budapest 1000 Kilometer im Rollstuhl lebensnah und detailreich geschildert.

Teil 1: Die Vorbereitungen laufen alles muss gut geplant sein

Mit dem Rollstuhl vom Ursprung der Donau bis nach Budapest wolle er, sagt Martin Senn, 32-jährig, Maschinenbautechniker und seit 2001 Tetraplegiker im Rollstuhl. Nun ist das zwar nicht ganz neu, die Donau mit dem Rollstuhl, aber neu ist, dass Martin dazu «nur» seine Arme braucht, also weder mit Swiss-Trac noch Handbike unterwegs sein wird. «Das hat mich nie interessiert» meint er «das ist was Zusätzliches, ich will frei sein, autonom». Auf die Idee gekommen sei er auf seiner Reise nach Nepal mit einer Equipe des SPZ. Da habe er sich auf ein Minimum an Gepäck beschränkt und dann plötzlich gedacht, das wäre was, mal so unterwegs sein, nur mit dem Rollstuhl, das müsse «cool» sein. Und warum die Donau? «Weiss ich eigentlich nicht», meint er, «ich hab mal was gehört und gelesen – und jetzt mache ich einfach die Donau».

 

Im Moment wartet er noch auf seinen «präparierten» Rollstuhl, dem soeben der letzte Schliff verpasst wird, bevor es am nächsten Tag losgeht. Es sei jetzt alles ein bisschen «busy» geworden, meint er, was ihn aber nicht weiter zu stressen scheint. Als erstes habe er eine Lösung fürs WC suchen müssen, ein Loch im Sitz, nein, gehe nicht, unter dem Sitz sei sein Schlafsack, so gesehen ist dies weggefallen. Eine andere, einfache Konstruktion hat er jetzt, in Form einer ausziehbaren Rohrkonstruktion. Ob’s funktioniere, werde sich ja dann zeigen. Alles hat seinen Platz auf oder am Rollstuhl; die Schlafmatte vorne unter dem Stuhl, der Schlafsack gleich dahinter, das Zelt bei den Griffen und der Rucksack hinten angehängt. Auf dem Rucksack sitzt eine kleine Solarzelle «zum Aufladen des Handys und damit ich etwas Strom im Hintern habe», sagt Martin lachend. Das Ganze ist jetzt allerdings ziemlich schwer geworden und verlangt eine etwas andere «Sitzposition». Die kommt Martin zwar noch ungewohnt vor aber bis in ein paar Tagen werde er gar nicht mehr wissen, wie’s vorher gewesen sei…

 

 

Nun geht’s schon mal mit Freunden im Auto bis Konstanz, danach entweder per Zug oder trampenderweise nach Donaueschingen, und dann schaue er einfach mal, wie weit er komme. Vom Arbeitgeber hat er zwei Monate frei bekommen. Ob er in dieser Zeit die über 1000 km zwischen dem Donauursprung und Budapest zurücklegen kann, weiss er nicht, spielt aber eigentlich auch keine Rolle, beweisen muss er weder sich noch sonst jemanden etwas. Er freut sich erst mal einfach drauf, draussen zu sein und sicher auch spannende Begegnungen zu machen. Und was passiert wenn’s regnet? «Das ist der absolute Notfall», sagt er «da ziehe ich meine rote Pelerine an, dann geht gar nichts mehr. Ich mach noch so ein kleines Fensterchen vorne rein, damit ich rausschauen kann und dann sitze ich’s halt aus, schlafe vielleicht ein wenig und warte, bis es vorbei ist.»

 

«Bin noch nicht hinten rausgeflogen» heisst's in seinem ersten Mail nach der Abfahrt. So viel Unbekümmert- und Offenheit gegenüber all dem, was das Leben zu bieten hat, ist beneidenwert. Wir bleiben dran an Martin und seinem rollenden Gepäckstuhl und halten ihm die Daumen! 

 

Teil 2: Jeder Meter zählt – noch läuft nicht alles rund

Tja wo soll ich anfangen...

Ich bin damals also nach Donaueschingen gekommen. Es war ein Regentag wie er im Bilderbuch steht. Ein Freund, den ich ein Jahr zuvor in Argentinien kennengelernt hatte, entschloss sich spontan, mit mir dieses Abenteuer anzugehen.

 

Schon nach den ersten 10 km merkte ich, dass mein Gepäck nicht optimal verteilt war. Der Stuhl war zu «kippelig» und ich konnte zu wenig Druck auf die Räder geben. Im nächsten Dorf trafen wir auf Tanja, eine russische Schneiderin. Wir verstanden uns sofort sehr gut. Es ging also darum, eine Lösung zu finden. Im Fahrradgeschäft auf der anderen Strassenseite liess ich mir Metallhaken anferti-gen, die Tanja dann an meinen Rucksack nähte. Jetzt musste nur noch der Schlafsack und die Matte auf die Vorderseite der Achse verlegt werden, so dass der Rucksack mehr unter den Rollstuhl zu liegen kam. Somit veränderte sich der Schwerpunkt nach vorne.

 

Jetzt konnte es losgehen... wenn nur nicht dieser Regen gewesen wäre. Zuerst suchte ich immer wieder Schutz vor der Nässe, bis ich dann den Regen zulassen konnte. Ich hatte immer gemeint, im Regen nicht fahren zu können, da ich an den Greifringen ausrutschen würde. Doch der Drang, nicht aufzugeben war viel stärker und so konzentrierte ich mich auf jede einzelne Bewegung. Ich war zwar nicht schnell, «aber jeder Meter zählt», sagte ich mir. Nach drei Tagen kamen wir in ein Dorf, wo es keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr gab. Natürlich regnete es wieder unaufhörlich. Schlussendlich erlaubte uns ein Bauer, seine Garage als Nachtlager zu benutzen und so machten wir es uns gemütlich so gut es ging.

 

Schnell stellte sich heraus, dass Claude und ich ein gutes Team sind. Er ist zu Fuss mit Rucksack unterwegs. Auf den ersten 200 km gab es immer wieder Steigungen zu bewältigen. Mit meinen 30 Kilo unter dem Hintern ist das schon sehr anstrengend. Aber auch da wieder; «jeder Meter zählt». In solchen Situationen geht mein Denken von langsam auf sehr langsam. Das Ziel ist nicht mehr Buda-pest, sondern jeder einzelne Meter. Oben angekommen fühle ich dann die Kraft, die mir gegeben wurde und geniesse umso mehr die Abfahrt, bis ich Claude wieder eingeholt habe.

 

Auch die Erfahrung mit den kilometerlangen Kieswegen der Donau entlang blieb mir nicht erspart. Zuerst lehnte ich mich innerlich auf gegen diese anstrengende Herausforderung. Schon bald aber änderte sich das Wetter, aus Regen wurden heisse Stunden und tausende von Mücken umschwirrten mich, wenn ich auf dem Schotter stehen blieb. Dann lieber weiter und wenn‘s halt sein muss auf zwei Rädern.

 

Gestürzt bin ich bis anhin nicht oft, aber es kommt halt vor. Meist ist es nicht so gefährlich, ausser vor ein paar Tagen: Da durchquerten wir eine von Autos befahrene Unterführung. Ich wollte Anlauf nehmen, um auf der anderen Seite problemlos hoch zukommen. In voller Geschwindigkeit fingen die kleinen Vorderräder auf einmal an zu rattern. Der Stuhl drehte sich seitlich und ich flog in hohem Bogen auf die Strassenmitte. Claude war zum Glück gleich zur Stelle und konnte den noch rollenden Rollstuhl und mich zur Seite nehmen. Ich hab keine einzige Schürfung davon getragen. Einen kurzen Moment lang konnte ich zwar kaum atmen, aber dann ging’s auch schon wieder weiter...

 

Natürlich begegnen wir Leuten, die auch unterwegs sind. Der Weg der Donau entlang ist als Radwanderweg bekannt und so fallen wir beide halt schon auf. Manchmal gibt es Leute, die vom Rad steigen um mich zu schieben, wenn sie sehen, wie ich mich da den Berg hoch mühe. Ich lehne das Angebot dann jeweils dankend ab und füge an «ausser sie wollen mich bis nach Budapest schieben?».

 

Schöne Momente sind jene, wo man unterwegs anhält und sich Einheimische zu einen setzen und ihre Geschichten erzählen, über ihren Liebeskummer, über ihre Beziehungsprobleme, dass sie halt schon lange nicht mehr auf Reisen waren oder was sie gerade so im Alltag beschäftigt. Da nehmen wir uns stets Zeit und hören zu. Wenn wir dann weitergehen, wirken diese Menschen oft sehr erleichtert, so als hätten sie gerade einen schweren Rucksack abgelegt.

 

Die Tagesdurchschnittsstrecke liegt zwischen 25-30 km. Oft begegnet man sich mehr als einmal, da ältere Menschen auch mal einen Tag Pause einlegen.Nun sind wir in Regensburg angekommen und ich habe 325 km auf dem Zähler.

 

Zurzeit macht mir die Tageshitze sehr zu schaffen und wir werden in den nächsten Tagen den Ablauf ändern. Sobald es hell wird (zwischen 4:30 und 5:30), fahren wir los und legen am Mittag eine Pause ein, um in den Städten zu bummeln und uns auszuruhen. Und heute treffe ich eine Freundin, die mir Nachschub an Katheter bringt und gleich ein paar Tage mitläuft.

Teil 3: Grenzen überschreiten– Etappe von Passau zweimal nach Wien

Ich bin in Wien angekommen, bereits zum zweiten Mal auf dieser Etappe. Vor vier Tagen hab ich mich von Passau auf den Weg gemacht, früh morgens um 2:30 Uhr. Claude hat Probleme mit seinem Fuss, braucht seit ein paar Tagen mehr Zeit oder fährt mit dem Zug nach. Nun hat er gehört, dass Prince an diesem Abend in Wien ein Konzert gibt. Da mussten wir hin, also organisierte er Tickets für uns. Ich rollte meine 35 km zu Ende und bestieg dann den Zug für die restlichen 80 km nach Wien. Wir bekamen sehr gute Plätze und zwei Drittel Vergünstigung wegen meines Rollstuhls! Am nächsten Tag gönnte ich mir eine Pause, schaute mir Wien an und erlebte dabei den Horror jedes Rollifahrers: Mit dem vielen Gepäck wollte ich die Rolltreppe nicht alleine nehmen wie ich es sonst mache. Darum fragte ich den Herrn, der gerade kam, ob er mir ein bisschen Sicherheit von hinten geben würde. In der Hälfte des Trajets zog es mich auf einmal förmlich nach hinten, ich konnte das Gewicht nicht mehr halten und purzelte mit dem Rollstuhl über den schon am Boden liegenden Mann die Rolltreppe nach unten. Unten angekommen setzte ich mich auf, die Rolltreppe lief immer noch, der Mann war eingeklemmt und so fuhren wir wieder nach oben, bis endlich jemand die Treppe abstellte. Da konnte ich mir ein genaueres Bild von diesem – sehr angetrunken – Mann machen, der sich auf meinem Stuhl abgestützt hatte, anstatt ihn zu sichern. Ich hab keinen einzigen Kratzer abbekommen, er zwar ein paar Platzwunden am Kopf, aber der Alkohol desinfiziert bekanntlich nicht nur, sondern lindert auch die Schmerzen.

 

Dieses Abenteuer hielt mich aber nicht davon ab, die 80 km mit dem Zug wieder zurückzufahren, um die Strecke nach Wien selber noch zu rollen. Aber zurück zum Ausgangsort in Passau, die letzte Stadt vor dem Landeswechsel nach Österreich. Bei der kleinen Grenztafel wollte ich ein Foto machen mit Claude, musste dort aber auf ihn warten, da die Radwege jetzt asphaltiert sind und ich wesentlich schneller unterwegs bin. Ich hatte gemeint, alle Arten von Wegen erfahren zu haben, aber da gibt’s noch die eine: Sie ist asphaltiert, und schlängelt sich kilometerlang durch die Hügellandschaft mit einer Neigung auf die eine oder andere Seite. Da es auf diesen Strassen nur die Kraft eines Arms braucht, hab ich schon mal mittels Fähre das Ufer gewechselt zur Entlastung. So wartete ich also vor der Grenztafel mit Blick in die Richtung, aus welcher Claude mir entgegen kam. «Hey Claude», rief ich «komm, wir machen ein Foto zusammen.» «Ja das sieht wirklich gut aus» rief er zurück, «sowas hab ich noch niiiie gesehen!». Ich verstand nicht ganz, bis ich wegen des Blitzlichts die Augen nach hinten abwandte… (siehe Foto). Seit dieser Begegnung schlafe ich nicht mehr wirklich ruhig draussen.

Da kamen mir unsere geänderten Rollzeiten entgegen, die wir auf die Nacht verlegt hatten, denn ab 11:00 Uhr ist’s ganz einfach zu heiss. Schön, wenn sich dann gerade ein See oder ein Freibad anbietet. Da können wir uns waschen, ausruhen und schwimmen.

Seit ich mehrheitlich alleine unterwegs bin, treffe ich noch mehr Menschen die mir zuwinken und ein «Phüeti Gott» rufen, oder mir einfach vom Gehsteig aus zunicken und mir ein «Respekt» mit auf den Weg geben. Da ich jetzt tagsüber mehr Zeit habe, entstehen immer wieder Begegnungen. Dann sitze ich mit irgendwelchen Leuten bis tief in die Nacht am See und kann mir dann bei ihnen auf der Couch noch ein paar Stunden Schlaf holen, bevor es weitergeht.

 

Nach 700 km steht nun also noch die letzte Etappe nach Budapest bevor. In Wien werde ich noch etwas aufgehalten, da ich mir das mit der Nachbestellung der Katheter etwas anders vorgestellt hatte. Ausserdem haben meine Vorderräder fast keinen Gummi mehr und die Greifringe etliche Löcher im Gripp, das wiederum schmerzt beim Bremsen in den Händen. Es sieht so aus, als wäre es nicht möglich, die Ringe auszutauschen. Zudem wird sich zeigen, ob und wie ich mit Claude weiter reise. Einerseits ist da seine Schwellung am Fuss, die ihn verlangsamt. Ob ich aber auf Ungarns Strassen weiterhin so schnell unterwegs sein werde, weiss ich nicht, vielleicht wurde ich ja auf den letzten 200 km einfach sehr verwöhnt. Anderseits, brauchen wir beide gerade etwas Abstand voneinander. Ich bin der spontane Typ; mal sehen was kommt, es ergibt sich schon das Richtige, während Claude doch lieber weiss, wo wir übernachten und an welchem Ort man sein wird. Von beidem etwas, das ist die perfekte Mischung und da jeder aus eigenem Antrieb diese Reise macht, können wir das ruhig angehen und uns den Raum gönnen, den wir jetzt brauchen. Ausserdem zwingt mich ein Blaseninfekt gerade zum täglichen Waschen der Kleider und schränkt mich durch die vermehrte Spastik bei jeglichen Transfers sehr ein. Auch die Blasen an den Händen, die nicht wirklich verheilen, könnten mal eine Ruhezeit gebrauchen.

 

So werde ich hier in Wien die leeren Speicher wieder füllen und dann geht‘s in die letzten 300 km nach BUDAPEST!

Teil 4: Ein Gedanke, eine Idee, ein Wunsch – Ankunft in Budapest

Morgens um 3 Uhr verliessen Claude und ich Wien Richtung Slowakei. Claude hatte ein paar gute Ideen gehabt, um meinen Rollstuhl wieder auf Vordermann zu bringen. So flickten wir die Löcher im Greifring mit Zweikomponenten Kleber und wechselten die Vorderräder, welche die Orthotec (Nottwil) per Post gesendet hatte. Nach langen Verhandlungen bekam ich dann auch meine Katheter in der Apotheke und so konnte es also weitergehen.

Bis zur Grenze waren es nur 50 km gut asphaltierte Strasse und so erreichten wir in zwei Tagen Bratislava. Von dort wählten wir die Strecke auf slowakischer Seite, da sie immer direkt an der Donau auf dem Damm verläuft.Ja, dieser Damm… er forderte noch einmal alles von mir.

Zum Glück kam diese harte Prüfung am Schluss, wo ich in guter körperlicher Kondition war. Kilometerlange Strecken ohne die Möglichkeit, Wasser aufzufüllen. Obwohl wir stets in der Nacht aufbrachen, hatte ich mittags bei 34° im Schatten noch 10 km vor mir und da passierte es: Ein dumpfes Geräusch hinter mir und ich wusste, was geschehen war. Die eingesteckte PET-Flasche mit Wasser war aus dem Rucksack gerutscht und ich konnte ihr gerade noch beim Davon rollen in die Donau nachsehen. Da sass ich nun, alleine in der brütenden Hitze und zudem noch ohne Wasser. Sofort wurde mir die erhöhte Gefahr eines Hitzschlages bewusst. Es gab nur eine Lösung: «In der Bewegung liegt die Kraft» ging es mir durch den Kopf. Langsam aber stetig bewegte ich meine Arme, bis endlich wieder ein «flow» kam. Ein «flow» geht folgendermassen: Kurz bevor meine Blase voll ist, fange ich an zu schwitzen, was mich sehr abkühlt. Ausserdem empfinde ich in diesem Zustand keine Schmerzen der Muskeln und kann voll Gas geben. Das ganze dauert aber nur 20 Minuten, dann muss ich die Blase entleeren, sonst bekomme ich einen sogenannten «Gutmann Effekt». In diesen 20 Minuten jedoch erreiche ich bis zu 5 km, was ich sonst in einer knappen Stunde schaffe. Das rettete mich dann schlussendlich teilweise aus meiner aussichtslosen Lage. In meiner Konzentration hatte ich zudem die beiden Schweizer fast überfahren, die auf mich warteten. Sie waren an mir vorbeigefahren und hatten sich gedacht: «Das ist doch fast nicht möglich, eine solche Strecke in dieser Hitze mit dem Rollstuhl zu fahren». Ich konnte mich dann die letzten 3 km an ihren Fahrrädern anhängen.

 

So zog es sich also die nächsten 200 km hin bis nach Ungarn. Claude blieb dabei jeweils weit mehr als 10 km zurück. Er hatte vermehrt Schmerzen in den Beinen und holte mich dann per Anhalter jeweils wieder auf.

 

Die Motivation stieg, je näher wir Budapest kamen. Ein paar Hindernisse, welche ich ohne Claude nicht geschafft hätte, mussten noch überwunden werden, wie zum Beispiel dort, wo die Strasse einfach abrupt fertig war und auf der anderen Seite des Baches weiterging. Dann endlich der letzte Tag, die letzten 35 km... Claude fuhr mit dem Zug nach Budapest um schon mal ein Hostel aufzusuchen. Ich rollte mich durch den immer dichteren Verkehr ins Zentrum dieser wunderschönen historischen Stadt. Bei der Promenade an der Donau gönnte ich mir dann ein Bier und symbolisierte damit, das Ziel erreicht zu haben. Innerlich löste sich die ganze Anspannung, die mich dazu getrieben hatte, nicht aufzugeben. Ich fiel in mich zusammen und weinte über das Unglaubliche, das geschehen war und das ich schon fast nicht mehr wahr haben konnte.

So möchte ich mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die mir geholfen und mich motiviert haben, angefangen bei meinem Namensvetter in der Berufsfindung im SPZ und bei Simone, die in letzter Stunde den Rucksack abänderte und Schlaufen annähte, damit der Rolli reisetauglich wurde. Auch bei der Orthotec-Mechanik, die sich spontan eingesetzt hatte bei den Abänderungen und vor allem die Ersatzteile nach Wien lieferte. Bei «transa», die einen grossen Teil der Ausrüstungskosten übernahmen und mich professionell beraten hatten. Bei der Firma «SISTAG», welche einverstanden war, mir zwei Monate Urlaub zu gewähren für dieses Projekt und natürlich bei meinen Freunden, die mich während dieser Zeit besucht oder mich ein Stück weit begleitet hatten.

 

Helene, die ich ein paar Tage vor meiner Abreise kennenlernte, plante, mit ihrem VW-Bus «Schnäggehüsli» nach Budapest zu fahren. Zum Glück hatte ich ihr damals Nachschub an Kathetern mitgegeben, so haben wir uns in Budapest wieder gefunden. Danke für deine Freundschaft und den Abstecher nach Ozora, eines der grössten Goa-Festivals in Europa.

 

Claude, du warst mir ein treuer Reisebegleiter. Respekt dafür, dass du zu Fuss und mit dem schweren Gepäck am Rücken mit mir mitgehalten hast!

 

So erhole ich mich von den gerollten 1000 km in Budapest. Wir haben noch eine Woche Zeit bis zum Rückflug und geniessen nicht nur das Nachtleben, sondern auch die täglichen Spaziergänge in der Stadt, um all die beeindruckenden Sehenswürdigkeiten zu betrachten und uns mit den Einheimischen zu unterhalten. So begegnete ich in einer der Gassen drei Kindern, die mir hinter dem Fenstergitter zuriefen. Um ein Foto machen zu dürfen, erbrachte ich als Gegenleistung Kunststücke mit meinem Rolli für die drei.

 

Fazit der Reise:

Ein Punkt, ein Gedanke, eine Idee, ein Wunsch, ein Traum... je mehr man an das glaubt, was man möchte, desto mehr Aufmerksamkeit schenkt man dem, was man sich wünscht und so verdichtet es sich immer mehr, bis es zur Realität wird – so auch diese Reise. Ein Gedanke, eine Idee, ein Wunsch – wir haben so viel Energie in uns. Was uns oft hindert ist unser Kopf, unser Verstand. Danke, dass ich daran glaubte und meinem Wunsch vertraute.

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