Als Leidende halten wir sehr viel aus. Der Glaube an die Medizin und die Hoffnung auf bessere Zeiten tragen uns
- 2 Minuten Lesezeit
- 08. Dezember 2021
- fritz
Als Leidende halten wir sehr viel aus. Der Glaube an die Medizin und die Hoffnung auf bessere Zeiten tragen uns
Es dauert lange, bis wir Menschen uns aufgeben, dem Leiden ein Ende setzen. Anfänglich lehnen wir uns dagegen auf, wollen die Folgen einer Krankheit oder einer Verletzung nicht wahrnehmen, versuchen sie zu verharmlosen. Schliesslich sehen wir notgedrungen ein, dass wir uns den Plagen ergeben und einer Therapie stellen müssen. Wir wollen ja leben. Dieser Drang überwiegt. Ihm zuliebe erdulden wir praktisch alles, was auf uns zukommt.
Still nehmen wir schlussendlich sogar hin, dass wir fortan gezeichnet und behindert sind. Wir haben unsere Integrität verloren, sind versehrt, aber wir sind da! Wir ertragen Schmerzen, ermöglichen angeblich Unmögliches, stellen uns schweren Krankheiten, selbst nachweisbar unheilbaren. Gleichzeitig stinkt es uns gewaltig, die Moral sinkt auf Tiefpunkte. Trotzdem werfen wir die Flinte nicht ins Korn, nehmen Mühsal auf uns, riskieren gefährliche Eingriffe, nur um weiter bestehen und auf dieser Welt bleiben zu können.
Tiere öffnen sich dem Tod
Tiere handeln in einer ersten Phase wie wir, wenn sie gesundheitlich bedroht sind. Sie bemühen sich, dem Leiden auszuweichen, bewegen sich entsprechend anders, lecken sorgsam ihre Wunden. Sobald sie spüren, wie wenig sie ausrichten können, ergeben sie sich, wie wir Menschen, aber mit umgekehrter Zielsetzung. Sie ziehen sich zurück, leiden still, essen und trinken nicht mehr. So begünstigen sie ihren körperlichen Zerfall, beschleunigen die Fahrt in den Tod, während wir Menschen uns dagegenstemmen und bereit sind, Leid und Mühsal auf uns zu nehmen, um das Ende aufzuschieben.
Das Tier handelt nach seinem Instinkt. Er sagt ihm, wann es auf dieser Welt nichts mehr verloren hat und sich verabschieden muss. Wir Menschen lassen uns dagegen von der Hoffnung auf bessere Zeiten leiten. Sie stellen sich ein, weil wir dank erfolgreicher Behandlung genesen oder weil wir uns veränderten Lebensbedingungen anpassen. Auch ein Leben mit Einschränkungen ist lebenswert, sagt uns die Hoffnung. Deshalb wehren wir uns mehrheitlich gegen den Tod.
Diese Regel schliesst nicht aus, dass es unter uns sowie in anderen Kulturen Menschen gibt, die dem Tod gelassener entgegenblicken, ihn vielleicht willkommen heissen, so wie das Tier es indirekt auch tut.
Dem Leiden bewusst ein Ende setzen
Die Hoffnung und der Glaube an therapeutische Möglichkeiten treiben uns an, selbst in lebensbedrohlichen Situationen den Kopf nicht hängen zu lassen. Im Laufe unseres Lebens haben wir auch gelernt, dass es tugendhaft und lohnenswert ist, sich immer trotzig und eigenwillig durchzusetzen.
In stilleren Stunden hinterfragen wir das, wie es scheint. Exit ist mit über 135'000 Mitgliedern einer der grössten Vereine in der Schweiz. Seinen Mitgliedern bietet er an, sie darin zu unterstützen, aus dem Leben zu treten – zum Zeitpunkt, den sie selbst bestimmen, nicht ihre Organe. Es ist diesen Menschen wichtig, sich diese Hintertüre offen zu halten, wenn der Leidensdruck zu gross wird.
Doch der zielgerichtete Griff zum Todesgift kostet Überwindung – vielleicht dieselbe Willenskraft, mit der wir uns dem Leiden entgegenstellen?
Demnächst werde ich mich an dieser Stelle dem Thema Sterbehilfe widmen.