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Gesellschaft

Rücksicht nehmen bedeutet andere respektieren

Am besten nehmen wir gegenseitig immer Rücksicht aufeinander. Gebärdensprache im Fernsehen ist ein interessantes Beispiel.

Am besten nehmen wir gegenseitig immer Rücksicht aufeinander. Gebärdensprache im Fernsehen ist ein interessantes Beispiel.

Rücksichtsvoll und hilfsbereit ist er doch, mein alter Schulkumpan: Er wohnt nicht am selben Ort, kam aber zu meiner Station, um mir ins Tram zu helfen. Wir trugen beide eine Gesichtsmaske, und zwar aus Rücksicht gegenüber den anderen Fahrgästen – die Maskenpflicht gab es noch nicht.

Zusammen fuhren wir bis zur Endstation. Dort assen wir in einer guten Beiz zu Abend. Wie so oft in alten Dorfbeizen führte eine Aussentreppe in die Wirtsstube. Mein Freund fand, er schaffe das alleine, doch schon standen der Wirt und der Koch da. Sie hatten uns kommen sehen, handelten spontan rücksichtsvoll und zudem hilfsbereit.

parkschild mit aufruf zur rücksicht

Selbst manche Parkschilder mahnen auf ironische Weise zur Rücksicht.

Rücksicht nehmen ist eine Haltung. Sie ist uneigennützig. Mit ihr bezeugen wir, dass wir unsere Mitmenschen respektieren. Wir blicken zurück, was wir hinterlassen haben, wir achten darauf, dass keiner zurückbleibt. «Wir sehen zurück»: mit «riguardo» nimmt die italienische Sprache dieses Bild ebenfalls auf. Im Französischen nicht, dort sind wir «aufmerksam» («faire attention»), während es im Englischen die sorgende Zuwendung ist: «take care of someone».

Verschiedene Sprachen drücken auf unterschiedliche Weise dasselbe aus. Das hilft uns, besser zu verstehen, worauf es ankommt: Wir schauen, was um uns herum geschieht. Das setzt voraus, dass wir aufmerksam sind und immer besorgt, dass es allen gut geht. Oft unterstützen den anderen mit einem kleinen Handgriff. Dabei lassen wir uns von der Einsicht leiten, dass es dem langfristigen Wohl aller dient, wenn wir so handeln.

rücksichtslosigkeit

Rücksichtslos, egoistisch und dumm: Sie versperren sich gegenseitig den Platz und scheuen sich nicht, das Fahrrad des anderen kaputt zu machen.

Der schmale Grat zur (Über-)Fürsorge

Von der Sorge um das Wohl anderer zur Fürsorge verläuft die Grenze fliessend. Wir Rollstuhlfahrer kennen diesen Übergangsbereich alle, weil wir häufiger als andere auf Rücksichtnahme angewiesen sind. In unserem Falle ist sie oft mit Hilfestellungen verbunden. Fürsorglich handelnde Mensch sprechen wir damit besonders an. Sie sind mehr als rücksichtsvoll: Sie neigen unter Umständen dazu, uns näher zu treten, als es uns lieb ist. Sie stellen etwas zu intime Fragen, wollen uns womöglich belehren, und das alles in durchaus redlicher Absicht.

Als Kenner solcher Situationen ist es am besten, wenn wir den Humor bewahren und ihnen möglichst rücksichtsvoll ausweichen, sie so zurückdrängen, dass wir sie nicht kränken. Es wäre unangemessen, leichte Übergriffigkeit dieser Art mit Gereiztheit zu beantworten.

fürsorge

Rücksichtsvoll, hilfsbereit, fürsorglich. Der Sohn stösst seine Mutter den Berg hoch und verfügt auch über sie.

Gebärdensprache im Fernsehen zeugt von Rücksicht

Ausgewogene Rücksichtnahme, ohne ständig den Aufwand mit dem möglichen Gewinn aufzurechnen, ist nicht nur eine Lebenshaltung, sie ist eine Kunst. Weltweit beherrschen die nationalen Fernsehanstalten sie recht gut. Hält die oberste Autorität des Landes eine Ansprache, bekommen wir oft dazu eine Simultanübersetzung in Gebärdensprache zu sehen. Auch gewisse Informationssendungen werden so übertragen. Die Stationen bekunden damit – meist im Auftrag der Regierung – überzeugend schön: Wir wollen alle ansprechen und scheuen keinen Aufwand. Ein vergleichbares Signal sind die öffentlichen Parkplätze für Rollstuhlfahrer.

Nach dieser Vorlage könnten wir die schönste aller neuen Welten aufbauen. Alle nehmen gegenseitig Rücksicht auf alle. Bezogen auf die Gehörlosen könnte das bedeuten: Sie bemühen sich, ihre Gebärdensprache zu einem sprachübergreifenden, weltweit verständlichen Zeichensystem zu entwickeln, das nicht nur ihnen, sondern allen Menschen dient und die Verständigung verbessert.

victory zeichen

So international wie dieses Zeichen ist die Gebärdensprache für Gehörlose nicht. Jedes Land hat seine eigene.

Davon sind wir noch entfernt: Jedes Land hat seine eigene Gebärdensprache, weltweit sind es rund 200. Von ihnen sind ca. 60 erforscht und dokumentiert. Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) wird in Deutschland von ca. 200'000 Menschen dauerhaft oder gelegentlich verwendet; die Schweiz kennt eigene, unter ihnen sogar Dialekte. Es liegt nicht an uns Rollstuhlfahrern, diese Vielfalt zu bewerten, erstaunen darf sie uns doch. In Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern und einer nationalen Sprache gibt es ca. 80'000 Gehörlose, in der Schweiz ca. 10'000.

Wenn ihr mehr zu Gehörlosigkeit erfahren wollt, klickt auf diesen Link. Unter diesem Link könnt ihr euch sogar euren Namen im Fingeralphabet buchstabieren lassen.

fingeralphabet

Das Fingeralphabet.

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