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Porträts & Geschichten

Autokauf im Rollstuhl – ein Erfahrungsbericht

Ins Auto transferieren kann ich nicht mehr. Jetzt braucht’s ein angepasstes Fahrzeug.

Endlich ist es da, das neue Auto. Alle soll es zufriedenstellen, alle sollen leicht einsteigen können, alle soll es bequem befördern: Mich selbst, meine liebe Frau, unsere beiden Töchter, die vier Enkelkinder, den Hund, den Swiss-Trac und Gepäck. Trotzdem darf es nicht allzu gross sein, muss es auch nicht. Nicht alle fahren gleichzeitig in ihm, aber allen soll es dienen.

Der Peugeot Rifter GT-Line BlueHDi 130 Automat erfüllt unsere Wünsche. Er verführt mich, den bald Siebzigjährigen im Rollstuhl, und meine Familie – allerdings nur, weil er umgebaut ist. Über eine Rampe steige ich hinten ein und fahre bis ganz nach vorn neben den Fahrer. Dafür wurde der ganze Boden des Autos abgesenkt, sonst hätte mir die Decke auf den Schädel gedrückt. Hier ist das Video einer Frau, die im Gegensatz zu mir selbst fährt.

Im umgebauten Fahrzeug bleibe ich im Rollstuhl sitzen und bin trotzdem ganz vorne.

peugeot rifter von hinten mit swiss trac

Sechs Personen und der Swiss-Trac fahren problemlos mit. Sogar für den Hund reicht es.

Der lange Leidensweg zu unserem neuen Auto

Der Leidensweg hin zu diesem Behindertenfahrzeug, wie es die Behörden nennen, begann 2019, also vor fünf Jahren. Ines, eine alte Bekannte und ebenfalls Tetraplegikerin, rief mich an: «Willst du meinen umgebauten Renault Kangoo haben? Ich bekomme einen neuen.»

Ich zögerte. «Dann brauchst du nicht mehr zu transferieren», fügte sie hinzu und stach mir damit in die Seele. Der Transfer vom Rollstuhl in unseren schnittigen BMW 320 fiel mir damals immer schwerer, aber ich hielt daran fest, mich irgendwie hinüberzuhieven. «Ich darf noch nicht aufgeben», antwortete ich ihr und lehnte ihr liebenswürdiges Angebot dankend ab.

Am nächsten Tag erzählte meine Frau einem ALS-Patienten von dem Auto. Für ihn war es ein Geschenk des Himmels und er kaufte es Ines sofort ab. Derweil mühte ich mich weiter mit dem BMW ab, fuhr aber immer häufiger mit dem Behindertentaxi.

fritz beim transfer vom rollstuhl in den bmw

In den schicken BMW kann ich im zarten Alter von 70 nicht mehr transferieren.

Zwei Jahre später traf es auch mich

Zwei Jahre später, am 29. September 2021, rissen Sehnen in meiner rechten Schulter. Ich schaffte es kaum noch ins Bett und auf die Toilette, geschweige denn in den BMW.

Doch nach langen verdriesslichen Monaten schaffte ich es wieder: Seitdem rutsche ich auf einem Tuch ins Bett und ziehe die Beine auf neu erlernte Weise nach. Das musste sich doch auf den BMW übertragen lassen! Ich konnte mir Zeit lassen, denn vorerst waren wir auf tragische Weise versorgt: Im November 2021 starb der ALS-Patient. Jetzt war der Renault Kangoo für mich in ein Geschenk des Himmels. Wir kauften ihn der Witwe gerne ab.

Praktisch war er, der Kangoo, aber im Vergleich zum BMW eine «lahme Ente», wie meine Frau meinte. «Ein Lieferwägele ist’s eben», erwiderte ich scheinbar gelassen. Dass ich hinten in die zweite Reihe verbannt war, ärgerte mich sehr. So lästerten wir über den treuherzigen Kangoo: «Als wären wir ein Taxi».

Die über 100'000 Kilometer begannen zudem an ihm zu zehren. Wir liessen ihn gründlich überholen, damit er durch die Motorfahrzeugkontrolle kam. Der elegante BMW mit seinem feurigeren Motor stand besser da. Beharrlich übte ich, wieder halbwegs schwungvoll in den BMW einzusteigen. Es blieb mühsam, gelang nur mit Ach und Krach.

fritz im rollstuhl hinten im renault kangoo

Ich bin eitel und mag es nicht, in der zweiten Reihe zu sitzen.

Erst die Einsicht, dann die Suche

Zwei Jahre nach meiner Schulterverletzung musste ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr ohne weiteres in ein normales Auto einsteigen konnte. Wir machten uns auf die Suche nach einem passenden Auto und begannen bei Orthotec Fahrzeugumbau in Nottwil. Weiter ging es zu Kirchhoff Mobility in Stäfa bei Zürich und schliesslich zu Johannes Bolliger, einem sympathischen unabhängigen Berater. Wir schauten uns auf den Plattformen Autouncle und Autoscout um, was es sonst noch gibt. Es überzeugte uns nicht, war auch nicht billig.

Deshalb haben wir uns für ein neues Auto entschieden, obwohl wir nicht viel fahren. Wenn schon ein neues, dann eines, mit dem wir alle zufrieden sind. Ich bleibe im Rollstuhl und sitze vorne, nicht in der zweiten Reihe, und das bitte heute, nicht erst übermorgen. Genau das erwies sich als besonders schwierig. Also gingen wir nach ein paar Monaten zurück zur Orthotec. Dort wartete brav auf uns, was wir suchten, und ebenfalls dort freut sich der Renault Kangoo auf einen neuen Käufer.

fritz im rollstuhl vor renault kangoo

So sieht der Renault Kangoo aus, den wir jetzt verkaufen.

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