Die Infrastruktur der SBB verbessert sich laufend und erleichtert den Zugang für uns Rollstuhlfahrer
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- 27. August 2021
- fritz
Die Infrastruktur der SBB verbessert sich laufend und erleichtert den Zugang für uns Rollstuhlfahrer
Bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) heissen unsere Freunde auf interregionalen und Fernstrecken Giruno, FV-Dosto, IC2000, IC2000 modernisiert und IR-Dosto; im Regionalverkehr nennen sie sich Regio Dosto, Flirt, Mouette und Domino, in den S-Bahnen von Zürich DPZ und DTZ. In diese Züge können wir in unseren Rollstühlen ebenerdig zusteigen, zumindest fast: Eine tiefe Schwelle von zwei, drei Zentimetern verbleibt. Wir überwinden sie klaglos.
Im FV-Dosto ist es eine Rampe – beim Einsteigen eine Erleichterung, beim Aussteigen erfordert sie ein helfendes Stosshändchen von hinten. Inclusion Handicap, der nationale Dachverband der Behindertenorganisationen, hat sich dagegen beschwert, schliesslich sogar beim Bundesgericht geklagt. Das Urteil ist hängig.
Bis 2027 heisst es hoffentlich: Adieu Einheitswagen IV!
Eine grosse Verbesserung ist dieser seit 2018 bei uns verkehrende FV-Dosto gleichwohl. Er trägt dazu bei, unseren prominentesten Widersacher zu ersetzen. Dieser fährt unter dem Namen Einheitswagen IV (EW IV) seit 1979 auf unseren Schienen.
In ihn steigen die Passagiere über drei schmale Treppenstufen, wir Rollstuhlfahrer nur mit der SBB-Assistenz und deren Mobilift – sofern wir uns spätestens eine Stunde vor Zugabfahrt auf 0800 007 102 angemeldet haben. Dort organisieren und koordinieren freundliche Mitarbeiter die Einstieghilfe.
Der EW IV galt lange als das Rückgrat der SBB im Fernverkehr. Die SBB haben immer wieder nachbestellt, die Wagen umgebaut und modernisiert, damit sie bis 2030 verkehren können.
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) durchkreuzte diese Pläne mit seinen Anforderungen. Zu ihrer Durchsetzung verfügte das Bundesamt für Verkehr (BAV) 2016, dass bis Ende 2023 auf jeder Fernverkehrsstrecke pro Stunde und Richtung mindestens ein Zug verkehren muss, der einen niveaugleichen Einstieg hat.
Mit dem EW IV ist diese Vorgabe nicht zu erfüllen. Bei den SBB ist zu erfahren: Die Zahl der inzwischen etwas schmuddeligen Wagen mit ihrem engen Innenausbau wird nun «bis ca. 2027 sukzessive reduziert». Schon heute ist zu sehen, dass diese Wagen kurze niederflurige Züge verlängern, um mehr Passagieren Platz anzubieten. Zugkompositionen nur mit EW IV wird es immer weniger geben.
Zweckmässiger werden auch die Bahnhöfe
Die Vorgaben des BehiG beziehen sich gleichermassen auf die Bahnhöfe, wo es ebenfalls einen Investitionsschub ausgelöst hat. Auf die Frage, wo wir stehen, antwortet die Pressestelle der SBB: «An allen grossen Bahnhöfen ist barrierefreies Reisen bereits heute möglich. Ausnahme bildet der Bahnhof Bern, der per Ende 2023 BehiG-konform sein wird.»
Das Bauprogramm zur Verbesserung der Infrastruktur läuft weiter. Von insgesamt 764 SBB-Bahnhöfen und -Haltestellen verfügten per Ende 2020 414 über einen behindertengerechten Bahnzugang. Dies entspricht rund 54 Prozent der Bahnhöfe.
Wie viele Reisende davon profitieren, darüber informierte die SBB letztmals im Februar 2021: «68 Prozent der Reisenden in den Bahnhöfen der SBB durch Perronerhöhungen, Rampen und Lifte barrierefrei ein- oder aussteigen». Dieser Anteil soll «gemäss aktueller Planung» bis Ende 2023 auf 86 Prozent steigen.
Wir Rollstuhlfahrer kommen zwar nicht überall ganz autonom zum Zug, weil uns manche Rampen zu steil sind. Die Voraussetzungen sind aber wesentlich besser als bei langen Treppen. Einzelheiten zur Ausstattung aller Schweizer Bahnhöfe findet Ihr über diesen Link.
Bravo: Wir sind heute mobiler!
Wohlwollend müssen wir anerkennen, dass sich vieles getan hat, um unsere Mobilität zu erhöhen. Damit steigt unsere Lebensqualität, wir können leichter durchs Land radeln und pendeln.
Auf die Frage, wann wir spontan und planlos an einem irgendeinem Bahnhof in den nächsten Zug steigen können, erwidert die Pressesprecherin der SBB: «Neu zu beschaffendes Rollmaterial wird nur noch mit niveaugleichem Zugang bestellt, dies gilt auch für internationale Züge, z. B. den Giruno.»
Alle haben etwas davon, dass die SBB ihre Zugflotte modernisiert: Die neuen, leicht zugänglichen Niederflurwagen haben nämlich auch Veloabteile, Multifunktionsabteile und Steckdosen. Dem BehiG sei Dank. Es hat mehr bewirkt, als es vorgibt. So freuen sich auch Radfahrer, Grossfamilien mit Kinderwagen, Ausflügler mit viel Gepäck und Computerfreaks heimlich mit uns über die verbesserte Infrastruktur.
Von der Barrierefreiheit im ÖV der Städte Basel, Bern, Luzern und Zürich berichte ich in diesem Beitrag.