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Wissenschaft

Viele fühlen sich einsam

Pro-WELL-Studie – Partnerschaft – «Stressoren»

Pro-WELL-Studie – Partnerschaft – «Stressoren»

Pro-WELL-Studie – hinter dem englisch angehauchten Namen steht die repräsentative Befragung zum Wohlbefinden von 133 Paaren, bei denen einer der Partner querschnittgelähmt ist. Der Schweizerische Nationalfonds hat sie finanziert. Sie ist aber Teil des grossen Sozialforschungsprojekts SwiSCI der Schweizer Paraplegiker-Forschung. Diese Forschung ergründet, wie wir «QSler & Co.» uns durchs Leben schlagen.

Im September luden die Forschenden die befragten Paare nach Nottwil ein, um ihnen ihre Erkenntnisse aus der Studie vorzustellen. Es war eine herzliche Begegnung. Leider waren nur acht befragte Pärchen vertreten, aber immerhin mit sehr unterschiedlichen Profilen; unter ihnen auch Erwin Zemp, Stiftungsrat der SPS und Bereichsleiter Lebensberatung der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion.

Je tiefer eine Beziehung ist, desto besser verträgt sie die behinderungsbedingten Lasten.

Die Umfrage-Ergebnisse bestätigen mehrheitlich, was zu vermuten war, mitunter auch alte Lebensweisheiten. Dank Pro-WELL sind sie nun aber statistisch untermauert. Nur so lassen sich heute therapeutische Projekte begründen und politische Forderungen durchsetzen.

So belegen die Antworten, dass Wohlbefinden und Beziehungsqualität, aber auch Gesundheit und Vitalität wechselseitig miteinander verflochten sind. Damit verknüpft und jetzt bestätigt sind andere Gesetzmässigkeiten: Je mehr wir in einer Beziehung unserem Partner geben, desto mehr dürfen wir auch nehmen. Dieses Verhältnis bestimmt die Qualität unserer partnerschaftlichen (Liebes-) Beziehung. Je tiefer diese Beziehung ist, desto besser verträgt sie die behinderungsbedingten Lasten: Der Behinderte behindert bekanntlich auch seine Mitmenschen. Paare sind deshalb nicht nur miteinander verbunden, sondern auch ineinander verkeilt und müssen ihre Beziehung mehr als andere pflegen.

Knapp die Hälfte der Querschnittgelähmten gibt an, sich immer wieder einsam zu fühlen.

Daraus ergeben sich auch Rollen- und Loyalitätskonflikte, welche die Studie aufgreift: Der arbeitende Nichtbehinderte, der sich auch um die Pflege seines Partners kümmert, ist immer wieder im Zwiespalt, wem er nun vorrangig dienen soll. Umgekehrt gibt es viele Behinderte, die glauben, am Arbeitsplatz mit besonderem Eifer ihre tatsächlichen oder vermeintlichen körperlichen Mängel aufwiegen zu müssen.

Solche Konflikte bezeichnen die Studienautoren als «Stressoren», die den ohnehin bestehenden Druck noch erhöhen. Sie raten uns, solche Zustände zu entschärfen oder – noch besser – zu vermeiden. Sie empfehlen auch, Arbeitgebern diese Problematik zu erläutern. Jeden Konflikt, jeden «Stressor» nehmen wir als unverhältnismässige Belastung wahr. Depressionen und Kreislaufstörungen können die Folge sein, und wir fallen in einen Teufelskreis, an dessen Ende die Einsamkeit steht. Sie verfolgt uns gemäss Umfrage ohnehin: Knapp die Hälfte der «QSler» gibt an, sich immer wieder einsam zu fühlen, während es bei ihren Partnern nur ein Drittel ist. Dieses Resultat ist im Ausmass überraschend. Die Studie legt es lediglich offen.

Über die Gründe dürfen wir mutmassen: Auch in Gesellschaft fallen wir als Rollstuhlfahrer immer wieder in die Rolle des Sonderlings. Auch in Gesellschaft, selbst in der intimen Partnerschaft, stellen wir immer wieder fest, dass unsere Mitmenschen nicht erahnen können, wie es sich mit den Folgen einer Rückenmarkverletzung lebt. Zuweilen sind wir selbst überrascht, was sie uns alles bringen. Da fühlen wir uns einsam!

Je gelassener wir alles nehmen, desto leichter und geselliger lebt es sich. Auch das zeigten die Studienresultate.

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