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Körper & Komplikationen

Gefahren bei eingeschränkter Sensibilität

Was wir unter Sensibilität verstehen

Unter Sensibilität verstehen wir den fünften Sinn, das Fühlen. Anders als bei den anderen vier Sinnen hat die Sensibilität kein eigenes Sinnesorgan, wie zum Beispiel der Sehsinn das Auge. Das sensible System bezieht seine Informationen aus einer Vielzahl von Nervenenden und Rezeptoren1, die über den ganzen Körper verteilt sind. Es gibt uns Rückmeldungen aus unserem Körper über Druck, Dehnung, Vibration, Temperatur oder Schmerz. Diese Rückmeldungen kommen von verschiedenen Orten: von Haut und Schleimhäuten, aus den inneren Organen oder aus dem Muskel- / Skelettsystem (Stellung der Gelenke, Anspannung in den Muskeln).

Die Sensibilität ist ein wichtiges Warnsystem unseres Körpers. Ist die Sensibilität nicht mehr oder nur noch teilweise vorhanden, fehlen uns Informationen, die auf Gefahren hinweisen. Aufgrund der eingeschränkten Sensibilität ist bei Menschen mit einer Querschnittlähmung dieses wichtige Warnsignal ausgeschaltet, was zu diversen Komplikationen führen kann.

Gefahren bei eingeschränkter oder nicht vorhandener Sensibilität

Druckstellen

Aufgrund der eingeschränkten oder fehlenden Sensibilität ist die Gefahr von Druckstellen für querschnittgelähmte Menschen besonders gross.

Verbrennungen durch Wärmeanwendungen und durch Berühren von heissen Gegenständen / Oberflächen

Wärmeanwendungen gehören zu den ältesten medizinischen Verfahren und werden in der konventionellen westlichen Medizin wie auch bei Naturheilverfahren angewandt. Der Umgang mit Wärmflaschen, Kirschkernkissen, Heizkissen und -decken, Rotlicht, heissen Wickeln und Packungen ist den meisten von Haus aus vertraut. Meistens werden solche Wärmeanwendungen als angenehm wärmend, entspannend oder belebend empfunden. Doch die Anwendung von externen Wärmequellen ist gefährlich, wenn das Wärmeempfinden gestört ist. Es kann zu Verbrennungen und Verbrühungen kommen.

Zudem gibt es viele Alltagssituationen, in denen wir mit heissen Gegenständen oder Oberflächen in Berührung kommen. Spürt man nicht mehr, dass sie heiss sind, ist besondere Vorsicht geboten.

Besonders aufzupassen ist bei:

  • Duschen oder Baden (Achtung vor wechselnden Wassertemperaturen!)
  • Waschbeckenabfluss
  • Wärmekissen oder Wärmflaschen
  • Transport von heissen Gegenständen auf den Beinen (Schutz zwischen Gegenstand und Beinen nötig, z. B. ein Tablett mit Ausgleichssack)
  • Oberflächen, die Wärme aufnehmen (Liegestuhl, Sand usw.)

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Sonne

Das Empfinden von Wärme und Kälte ist bei eingeschränkter Sensibilität gestört. Dies kann zu Überhitzung oder Unterkühlung des Körpers führen. Menschen mit einer hohen Querschnittlähmung haben häufig ein Kältegefühl, kleiden sich entsprechend übermässig warm und freuen sich über die wärmende Sonne.

Doch die Sonne hat auch Schattenseiten. Die UV-Strahlung kann die Haut schädigen (Sonnenbrand) und Wärme kann zu einer Überhitzung (Sonnenstich) führen. Exzessives Sonnenbaden lässt die Haut schneller altern und fördert zahlreiche weitere Hautveränderungen bis hin zu Hautkrebs.

Kontrollieren Sie nach jedem Aufenthalt im Freien die Haut auf Veränderungen. Ein guter Sonnenschutz (Hut, Sonnenbrille und Sonnencreme) ist generell zu empfehlen.

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Temperaturregulation

Menschen regulieren ihre Körpertemperatur unter anderem durch Schwitzen. Die Schwitzgrenze liegt bei Lufttemperaturen von knapp über 30 °C. Bei querschnittgelähmten Menschen ist dieses temperaturregulierende Schwitzen nur in den Körperbereichen möglich, die nicht von der Lähmung betroffen sind. Das bedeutet, dass v. a. bei Menschen mit tetraplegischer Lähmung diese Regulierung stark eingeschränkt ist und nicht ausreicht, die Körpertemperatur im Normbereich zu halten, wenn sie sich hohen Temperaturen aussetzen.

Bedingt durch die Querschnittlähmung kann das vegetative Nervensystem die Mechanismen zur Temperaturregulation (Wärmeproduktion und Wärmeabgabe) wie Hautdurchblutung, Schwitzen, Muskelzittern sowie Umverteilung des Blutes von den inneren Organen zu den Muskeln nicht mehr richtig steuern. Dies kann zu Unterkühlung (Hypothermie) oder zu übermässigem Anstieg der Körpertemperatur (Hyperthermie) führen. Ursachen können eine zu hohe Raumtemperatur, starke Sonneneinwirkung oder falsche Kleidung sein. Besonders Menschen mit einer Tetraplegie müssen daher die Umgebungstemperaturen beachten. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn sie in besonders warme Länder reisen, aber auch im Sommer in der Schweiz.

Die folgenden Punkte sind für Tetraplegiker und Paraplegiker wichtig:

Flüssigkeitsverlust

Aufgrund des vermehrten Schwitzens muss mehr Flüssigkeit aufgenommen werden. Es gilt die Grundregel, dass pro Tag mindestens 1,5 Liter Urin über die Blase ausgeschieden werden sollte. Dies dient der Thrombose- sowie der Harnwegsinfektionsprophylaxe.

Thrombosen

Die Gefahr für Thrombosen ist während der heissen Jahreszeit erhöht. Genügende Flüssigkeitszufuhr und Kompressionsstrümpfe stellen zusammen eine wirksame Prophylaxe dar. Dazu ist es wichtig, die Beine täglich auf Rötung, Überwärmung, Schwellung und Ödeme zu kontrollieren, da dies die ersten Anzeichen einer Thrombose sind.

Druckstellen

Durch Schwitzen und somit feuchte Haut ist die Gefahr für Druckstellen erhöht. Daher ist das Entlasten im Rollstuhl eine wichtige vorbeugende Massnahme. Feuchte Kleidung muss gewechselt und die Haut kontrolliert werden.

Medikamente

Menschen, die Anticholinergika wie Ditropan® (gegen hyperaktive Blase) oder Buscopan® (gegen Bauchkrämpfe und spastische Verstopfung) einnehmen, sind in der Fähigkeit zu schwitzen eingeschränkt und müssen bei Sonnenbestrahlung besonders aufpassen. Auf dem Beipackzettel steht, ob die Lichtempfindlichkeit der Haut nach der Einnahme eines bestimmten Medikaments zunimmt.

Massnahmen für heisse Sommertage:

  • Sprühflasche mit Wasser mitnehmen, um sich im Bedarfsfall bei Überhitzung einsprühen zu können und damit die gestörte Schweissbildung zu ersetzen
  • immer eine Kopfbedeckung tragen
  • viel trinken
  • Hitze vermeiden
  • sich leicht kleiden
  • einen mobilen Ventilator benutzen

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Auch eine Unterkühlung kann zu schwerwiegenden körperlichen Folgen bis hin zu Bewusstlosigkeit führen. Deshalb ist auch in der kalten Jahreszeit bei längeren Aufenthalten im Freien besondere Vorsicht geboten, z. B. beim Spazierengehen, Skifahren usw.

Was kann ich machen, wenn ich merke, dass ich mich überhitze?

Ein Spray mit kaltem Wasser (z. B. Blumenspray) kann sehr hilfreich sein. Zudem ist es wichtig, genügend zu trinken. Grundsätzlich sollten Sie direkte, pralle Sonnenbestrahlung meiden.

Sind elektrische Heizkissen besser als Bettflaschen?

Auch elektrische Heizkissen können sehr heiss werden. Darum muss man sehr gut aufpassen, wo man sie anwendet. Grundsätzlich gilt: nur in den Körperbereichen nutzen, in denen Sie Sensibilität haben.

Ist es für eine Person mit Tetraplegie trotzdem möglich, in heisse Länder zu reisen?

Ja. Wenn Sie sich an die oben genannten Punkte halten, sollte es möglich sein. Nicht jeder Mensch verträgt Hitze gleich gut. Falls aufgrund der Hitze Blutdruckprobleme auftreten, können eventuell auch isotonische Getränke unterstützend wirken.

1 spezialisierte Zellen, die Reize übertragen

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