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Gesellschaft

Die Rettung der Film- und Fernsehbranche für Menschen mit Behinderung

Schauspieler/-innen mit Behinderung brauchen mehr Unterstützung, denn Inklusion zahlt sich aus

Schauspieler/-innen mit Behinderung brauchen mehr Unterstützung, denn Inklusion zahlt sich aus

Wie viele Film- oder Fernsehcharaktere mit Behinderung fallen Euch ein? Und wie viele davon werden von einem Schauspieler oder einer Schauspielerin mit derselben Behinderung gespielt?

Menschen mit Behinderung waren in Film und Fernsehen lange unterrepräsentiert. Eine Forschungsarbeit aus dem Jahr 2018 zeigte, dass bei den 284 untersuchten Sendungen auf 37 Sendern und vier Streaming-Plattformen durchschnittlich nur 21.6 % der Rollen mit Behinderung auch von Schauspielern/-innen mit derselben Behinderung verkörpert wurden.

Bei einer Milliarde Menschen mit Behinderung auf der Welt dürfte es keinen Mangel an Schauspielern/-innen mit Behinderung geben. Jedoch werden die meisten «Behinderten-Rollen» an Schauspieler/-innen ohne Behinderung vergeben. Was stimmt also nicht mit Schauspielern/-innen mit Behinderung – oder besser: Was stimmt nicht mit der Film- und Fernsehbranche?

Blockbuster vs. Behinderung

Es wird viel darüber diskutiert, wer Rollen mit Behinderung verkörpern sollte. Viele finden es inakzeptabel, dass Schauspieler/-innen ohne Behinderung denen mit Behinderung die Rollen wegnehmen – denn diese sind eine stark marginalisierte und unterrepräsentierte Gruppe innerhalb der Film- und Fernsehindustrie. Ausserdem finden viele Menschen mit Behinderung, dass nicht behinderte Schauspieler/-innen Charaktere mit Behinderung weniger überzeugend verkörpern als Schauspieler/-innen mit Behinderung. Eine andere Meinung hat Paddy Slattery.

Paddy ist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent mit Tetraplegie. Sein Film «Broken Law» war bei den diesjährigen Film and Drama Awards der Irish Film and Television Academy in sechs Kategorien nominiert, darunter «Bester Film», «Bester Regisseur» und «Bestes Drehbuch».

2018 erklärte er auf thejournal.ie, dass es nie so einfach sei, Rollen mit Behinderung zu besetzen. Für Produzenten ist der Profit wichtiger als schauspielerische Integrität oder Authentizität. Geld steht immer an erster Stelle – egal, ob es sich um eine Hauptrolle mit oder ohne Behinderung handelt.

Paddy findet es auch irrational zu denken, dass nur Schauspieler/-innen mit Behinderung Charaktere mit Behinderung spielen können. Es ist der Job von Schauspielerinnen und Schauspielern, andere Menschen darzustellen. Daher findet er, dass immer der oder die Beste die Rolle bekommen sollte.

dwayne johnson in skyscraper

Viele Produzenten besetzen Charaktere mit Behinderung nach wie vor lieber mit Kinostars wie Dwayne Johnson. Nur selten wird genauso viel Geld und Mühe investiert, um Schauspieler/-innen mit Behinderung auf die Leinwand zu bringen. (Quelle: Universal Pictures / https://www.aceshowbiz.com)

Authentizität und ausgewogene Repräsentation

Paddy zufolge geht es bei der Film- und Fernsehindustrie ums Geschäft, nicht um Nettigkeit. Das heisst aber nicht, dass wir das so hinnehmen müssen.

«Wir sind es leid, immer als Last für jemand anderes dargestellt zu werden.»

Paddy wünscht sich mehr Fairness und Unterstützung für Menschen mit Behinderung in der Branche. So weist Autor und Behindertenfürsprecher Ryan O’Connell darauf hin, dass man Szenen, die in der Geschichte vor der Behinderung einer Figur stattfinden, heutzutage ohne Weiteres schneiden oder bearbeiten kann. Solche Szenen sollten also kein Grund sein, warum eine Rolle mit Behinderung an eine/-n Schauspieler/-in ohne Behinderung vergeben wird.

Auch die Geschichten über Menschen mit Behinderung sollten authentischer sein. Die US-amerikanische Stiftung Ruderman Family Foundation setzt sich für Menschen mit Behinderung ein und verleiht zu diesem Zweck das «Seal of Authentic Representation» (DE: Siegel für authentische Darstellung). Die Krankenhausserie «Grey’s Anatomy» und die Sitcom «Will & Grace» zählen zu den elf Produktionen, die in jüngerer Zeit diese Auszeichnung erhalten haben, weil dort Schauspieler/-innen mit Behinderung eine Sprechrolle von mindestens fünf Zeilen haben.

christopher thornton in will and grace

Christopher Thornton, ein Schauspieler mit Querschnittlähmung, stellt in der amerikanischen Sitcom «Will & Grace» einen öfter vorkommenden Charakter im Rollstuhl dar. (Quelle: https://m.imdb.com)

Krista Vernoff, Produzentin von «Grey’s Anatomy», ist der Meinung, dass die Art der Darstellung extrem wichtig ist:

«Wenn Menschen sich als authentisch dargestellt sehen, erweitert das ihre Vorstellungskraft davon, was in ihrem eigenen Leben möglich ist.»

In der Tat zeigte eine Studie der Schweizer Paraplegiker-Forschung: Wenn ein Mensch mit Querschnittlähmung in einem Film positiv dargestellt wird, verbessert das die Ansichten der Leute bezüglich der Beschäftigungstauglichkeit von querschnittgelähmten Menschen.

Forderungen nach mehr Unterstützung in der Film- und Fernsehbranche

Eine akkurate und gleichberechtigte Darstellung von Behinderung kann sowohl für Menschen mit Behinderung als auch für das Showbusiness von Vorteil sein. Eine Marktanalyse zum Thema Inklusion in Film und Fernsehen zeigt: Menschen sind bereit, mehr Geld für Film und Fernsehen auszugeben, wenn die Vermittler der Inhalte sich verpflichten, Menschen mit Behinderung korrekter darzustellen.

RJ Mitte ist ein amerikanischer Schauspieler mit Zerebralparese und am besten bekannt für seine Darstellung eines Charakters mit derselben Behinderung in der Dramaserie «Breaking Bad». Im Video unten erklärt er, dass den Verantwortlichen jedes Jahr Milliarden von Dollar durch die Lappen gehen, wenn sie Menschen mit Behinderung von ihren Produktionen ausschliessen.

RJ ist einer von vielen Schauspielern/-innen, darunter Stars wie George Clooney und Eva Longoria, die einen offenen Brief an die Unterhaltungsindustrie unterzeichnet haben. Sie drängen die Branche dazu, mehr Schauspieler/-innen mit Behinderung zu casten und so deren Sichtbarkeit zu verbessern.

Das British Film Institute hat auch eine Kampagne mit dem Titel «Press Reset» gestartet. Ziel ist es, Grössen der Film- und Fernsehbranche dazu zu bewegen, die Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderung zu überprüfen, damit Inklusion zur Normalität wird. Hier die Botschaft der Filmemacher mit Behinderung an die Branche:

Samantha Renke, eine der Unterstützerinnen der «Press Reset»-Kampagne, sagt, dass Menschen mit Behinderung mehr Respekt und Anerkennung verdienen.

«Menschen mit Behinderung werden nicht einfach verschwinden, und wir sollten nicht vergessen, dass es jeden von uns jederzeit treffen kann.»

Bevorzugt Ihr Film- und Fernsehproduktionen mit Schauspielern/-innen mit Behinderung? Wie wichtig ist Euch eine authentische Darstellung von Menschen mit Behinderung?

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