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Gesellschaft

Freie Partnerwahl?

Je selbständiger und emanzipierter wir sind, desto mehr Freiheiten können wir uns erlauben. Dürfen wir auch den Partner wechseln?

Je selbständiger und emanzipierter wir sind, desto mehr Freiheiten können wir uns erlauben. Dürfen wir auch den Partner wechseln?

Wer auffällt, irritiert seine Mitmenschen gewollt oder ungewollt. Wir Rollstuhlfahrer kennen das. Treten wir zudem mit einem nichtbehinderten Partner auf, zeigen sich noch heute manche Leute berührt. Sie halten das nicht für selbstverständlich. Die Frage, wie das wohl läuft, kommt ihnen hoch. Sie stellen sie freilich nicht direkt. Sie hängt in der Luft.

Ein junges deutsches Pärchen berichtet erfrischend darüber. Die beiden haben sich in der Physiotherapie kennen gelernt. Sie ist querschnittgelähmt. Warum? Das erfahren wir nicht. Sie findet die Frage unnötig. So schwirrt sie ebenfalls in der Luft.

Jeden Tag von neuem müssen wir ausloten, wie wir uns mit unseren Mitmenschen möglichst aufbauend austauschen. Manchen sind wir zu verschlossen, anderen zu mitteilsam, schon fast anbiedernd. Der amerikanische Muskeldystrophiker Shane und seine Frau Hannah sprechen unverblümt darüber, wie sie sich näher gekommen sind und wie sie miteinander verkehren. Sie werden sehr intim, vielleicht fast zu intim?

Bis dass der Tod euch scheide

Je intimer eine Beziehung geworden ist, desto schwieriger wird es, wenn es nicht mehr passt. Zunächst bemühen wir uns, zusammen zu bleiben. Nicht immer gelingt das. Spielen noch Drittpersonen mit, wird es meistens aussichtslos.

Die traditionelle Moral urteilt hier streng: Wer sich auf einen hilfsbedürftigen Mitmenschen eingelassen hat, darf ihn nie und nimmer im Stich lassen. Gleiches gilt für den, der sich von seinem Partner aufopfernd helfen lässt. Er muss ihm zeitlebens dankbar sein, immer und ewig treu bleiben.

priester predigt aus der bibel

Menschen im Rollstuhl und ihre Partner sind sich ewig treu, verlangt die traditionelle Moral.

Was uns hier abverlangt wird, entspringt einem ethischen Grundsatz, den wir Menschen schon vor Urzeiten gesetzt haben: Wer das Vertrauen oder die Abhängigkeit eines oder mehrerer anderer missbraucht, handelt in jedem Fall unredlich. Wer sich so benimmt, den bezeichnen wir als «bösartig», «hinterlistig», «fies». Der Richter redet von «vorsätzlicher Handlung», der Priester von «sündhaftem Lebenswandel».

Die Praxis läuft anders als die Theorie

Wie so manches in der Ethik ist auch der Imperativ, selbstlos zu helfen und sich ewig treu zu bleiben, theoretisch richtig, doch im täglichen Leben nicht leicht umzusetzen. Das Leben läuft anders: Wir haben uns auseinandergelebt, wir können der Versuchung nicht widerstehen, der einst eingeschlagene Weg erweist sich irgendwann als falsch. Wir müssen uns trennen.

Letztlich geht es immer darum, wie viele Freiheiten, Extravaganzen und Rücksichtslosigkeiten wir uns leisten können, ohne uns mehr zu schädigen als zu erbauen. Je emanzipierter und selbständiger wir sind, desto freier und unabhängiger können wir unser Leben gestalten.

Ganz alleine sind wir aber nie, wollen es gar nicht sein, denn wir wissen: Bestehen können wir auf Dauer nur mit anderen. Das gilt für alle Menschen, nicht nur für die mit einer Behinderung.

athletin im handbike

Wir müssen möglichst selbständig und emanzipiert sein, um im Leben frei wählen zu können.

Je freier wir Rollstuhlfahrer uns fühlen, desto emanzipierter, desto besser rehabilitiert sind wir. Müssen, sollen, dürfen wir deswegen auch den Partner wechseln? Wie beurteilt Ihr das?

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