Paare enthüllen das „geheimnisvolle Leben“ in Beziehungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung
- 4 Minuten Lesezeit
- 20. Februar 2019
- kitwan
Paare enthüllen das „geheimnisvolle Leben“ in Beziehungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung
Liebe ist ein universales Konzept, das jeder kennt und empfindet. Allerdings werden nicht alle Formen von Liebe akzeptiert und respektiert. Beziehungen wie LGBT beispielsweise rücken durch Proteste und Kampagnen seit ein paar Jahren immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit – doch noch immer gibt es viele Vorurteile darüber. Eine weitere Beziehungsform hat ähnliche Probleme: nämlich die zwischen einer Person mit und einer Person ohne Behinderung, im Englischen als interabled relationships bezeichnet.
Diese Beziehungen sind nicht selten – wahrscheinlich leben viele von Euch in einer solchen Beziehung und Ihr habt ähnliche Erfahrungen wie die Menschen gemacht, die ich Euch heute vorstelle. Diese Menschen leben selbst in einer Beziehung mit einer Person ohne Behinderung. Sie haben ein gemeinsames Ziel: auf die Vorurteile aufmerksam zu machen, die durch das fehlende Wissen über Beziehungen zwischen behinderten und nicht-behinderten Partnern entstehen. Hören wir uns ihre Geschichten an.
Interabled relationships sind kein übermenschliches Phänomen
Ben Mattlin wurde mit spinaler Muskelatrophie geboren. Er machte seinen Abschluss an der Harvard-Universität und ist erfolgreicher Journalist. Er ist mit einer nicht-behinderten Frau verheiratet, mit der er zwei Kinder und zwei Haustiere hat.
Was seine Frau an ihm liebt, sind sein Selbstvertrauen und seine Entschlossenheit – doch viele Aussenstehende denken, sie habe ihn wegen seines Vermögens geheiratet. Manchmal wird sie für seine Schwester oder seine Pflegerin gehalten. Wenn die Leute erfahren, dass sie Bens Frau ist, wird sie plötzlich zu einer Heiligen.
Solche Erfahrungen brachten Ben dazu, sich Beziehungen zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen näher anzusehen. Er sprach mit über einem Dutzend anderer Paare mit unterschiedlichen Behinderungen, ethnischen Abstammungen und Ausrichtungen. In der Folge veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „In Sickness and in Health: Love, Disability, and a Quest to Understand the Perils and Pleasures of Interabled Romance“ (DE: In Krankheit und Gesundheit: Liebe, Behinderung und ein Versuch, die Gefahren und Freuden von Liebesbeziehungen zwischen behinderten und nicht-behinderten Partnern zu verstehen).
In einem kürzlich veröffentlichen Video legte Ben seine Ansichten dar, warum interabled relationships oft entweder verachtet oder bewundert werden. Er führte aus, dass solche Beziehungen häufig stabiler seien als viele „normale“ Beziehungen, weil die Schwächen der Partner meist frühzeitig bekannt seien. Er wies auch darauf hin, dass in jeder Beziehung die Partner Opfer füreinander bringen müssten. Somit seien diese Opfer keine Heldentaten, die es nur in Beziehungen zwischen behinderten und nicht-behinderten Partnern gebe.
Emotionale und körperliche Intimität in interabled relationships
Der ebenfalls mit Muskelatrophie diagnostizierte 26-jährige Shane Burcaw ist amerikanischer Schriftsteller, öffentlicher Redner und Gründer einer Stiftung. Mit seiner nicht-behinderten Freundin Hannah ist er seit über zwei Jahren zusammen. Sie sind eines der Paare, mit denen Ben gesprochen hat.
Shane erzählte, dass einige Leute Vermutungen über seine Fähigkeiten und seine Beziehung mit Hannah anstellen, die er als absurd und manchmal verletzend empfindet. So verlangte Shane beispielsweise in einem Restaurant nach der Rechnung, als Hannah gerade in der Damentoilette war. Anstatt die Rechnung zu bringen, kam die Bedienung später zurück und fragte Hannah: „Er hat die Rechnung verlangt. Ist das in Ordnung?“
Eine weitere absurde Situation im Restaurant erlebten Shane und Hannah bei einem ihrer ersten Dates. Jemand kam an ihren Tisch und betete dafür, dass sie ein glückliches Leben haben mögen. Mit der Zeit hatte Shane so viele seltsame Erfahrungen „gesammelt“, dass er ein Buch darüber schreiben konnte. In der Tat erscheint im April 2019 sein drittes Buch „Strangers Assume My Girlfriend is My Nurse“ (DE: Fremde halten meine Freundin für meine Krankenschwester).
Ausserdem leitet Shane eine Non-Profit Organisation mit dem gleichen Namen wie sein Blog: „Laughing At My Nightmare“ (DE: Lachen über meinen Albtraum). Ab und zu teilt Shane seine kuriosen Erfahrungen an Schulen, wo er sich in Skype-Vorträgen für mehr Akzeptanz und Respekt gegenüber Andersartigkeit einsetzt. Mit den gesammelten Spenden werden Zuschüsse zu Hilfsgeräten für Menschen mit Muskeldystrophie finanziert.
Auf ihrem 2018 gestarteten YouTube-Kanal teilen Shane und Hannah, wie sie ihr Leben als Partner mit und ohne Behinderung gemeinsam organisieren. Der Kanal verzeichnet bereits mehr als 210‘000 Abonnenten.
Hier ist ein Video, das sie kürzlich auf ihrem Kanal hochgeladen haben. Darin zeigen sie uns eine ihrer lustigen Freizeitbeschäftigungen als Paar mit und ohne Behinderung.
Positivität und Inklusion in interabled relationships
Cole, ein C5-C6-Tetraplegiker, ist mit seiner nicht-behinderten Freundin Charisma seit über einem Jahr zusammen. Trotz ihrer körperlichen Unterschiede und der unterschiedlichen ethnischen Abstammung wird ihre Beziehung von ihren Familien und sämtlichen Freunden unterstützt. Die beiden erläuterten, dass sie Glück hatten und bisher keine negativen Kommentare über ihre Beziehung erhalten haben.
Das Paar meinte, mit einem behinderten Partner zusammen zu sein bedeute nicht, dass man Aktivitäten aufgeben müsse, die der Partner nicht machen kann. In einer solchen Beziehung gehe es um Anpassung, nicht um Entgegenkommen. Der Schlüssel für jede erfolgreiche Beziehung – ob mit oder ohne Behinderung – sei es zu lernen, mit den Unterschieden des jeweils anderen zu leben.
Ebenso wie Shane und Hannah haben Cole und Charisma letztes Jahr einen YouTube-Kanal gestartet mit dem Namen „Roll with Cole & Charisma” (DE: Rollen mit Cole und Charisma). Sie hoffen, den Leuten zu mehr Wissen über Barrierefreiheit und Beziehungen im Rollstuhl zu verhelfen, indem sie Positivität in ihren Vlogs verbreiten.
Letztes Jahr hatte Cole eine Routineoperation an der Blase. Der Operationstag wurde dokumentiert und auf ihren YouTube-Kanal hochgeladen, am letzten Tag im September – dem „Spinal Cord Injury Awareness Month“ (DE: Monat zur Förderung des Bewusstseins über Querschnittlähmung). Schaut es Euch an: Es ist nicht beängstigend, sondern voller Liebe!
Welche Erfahrungen habt Ihr mit interabled relationships gemacht? Habt Ihr während einer solchen Beziehung auch schon Vorurteile erlebt?
[Übersetzung des originalen englischen Beitrags]