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Ab April 2023: Die «Inklusions-Initiative» kommt

Menschen mit Behinderung sollen die gleichen Wahlmöglichkeiten bekommen wie alle anderen

Menschen mit Behinderung sollen die gleichen Wahlmöglichkeiten bekommen wie alle anderen

Der politische Druck steigt: Eine überparteiliche Allianz von Vereinigungen, Fachorganisationen und Verbänden bereitet die «Inklusions-Initiative» vor.

Zu den Initianten, dem «Bürger:innen-Komitee», zählen selbstredend auch Menschen mit Behinderung, wie etwa Islam Alijaj, Präsident des Vereins «Tatkraft», sowie nicht minder tatkräftig AGILE.CH und Inclusion Handicap. Beide sind Dachverbände der Behindertenorganisationen. Hinter der Initiative steht auch die Stiftung für direkte Demokratie.

Ab Ende April wird es ernst: Sie beginnen, Unterschriften zu sammeln. 18 Monate Zeit gewährt ihnen das Gesetz, um die nötigen 100'000 Unterschriften zusammenzukriegen. Um diese Knochenarbeit erfolgreich durchzustehen, sind sie um jede und jeden froh, der sich engagiert.

vertreter der inklusions initiative vor dem schweizer bundeshaus in bern

Vertreter der «Inklusions-Initiative» am sogenannten Kick-off-Event am 15. September 2022 in Bern vor dem Bundeshaus.

Inklusion! Das ist das Ziel

Die Initianten streben an, dass unsere Gesellschaft «inklusiv» wird. Das bedeutet, sie ermöglicht es allen ihren Mitgliedern – nicht nur den leistungsfähigsten –, sich im Sozialleben, im Bildungswesen, in der Arbeitswelt, in der Kultur, aber auch auf dem Immobilienmarkt gleichberechtigt einzubringen.

Menschen mit Behinderungen sollen «ihre Wohnform und ihren Wohnort wählen» können, statt in separierende Sondereinrichtungen abgeschoben zu werden. Zudem sollen sie ihr Leben «selbstbestimmt und mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere» gestalten können – so fordern es die Initianten.

Es geht primär darum, «die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu stärken». Dabei ist zu bedenken, dass «in der Schweiz rund 1.7 Millionen Menschen mit Behinderungen leben».

Die Schweiz steht weit hinten

Unsere Leistungsgesellschaft muss erkennen, wie vielfältig sie ist, und sie muss alle einbeziehen, «inkludieren». Die Schweiz muss hier nachbessern. Das hat der UNO-Ausschuss, der die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (BRK) überwacht, am 25. März 2022 festgehalten. Die Eidgenossenschaft hat dieses Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2014 ratifiziert. 175 Staaten gehören ihm an.

Nach dieser Kritik der UNO forderte Inclusion Handicap, die Schweiz müsse auch das zusätzliche Fakultativprotokoll zur BRK unterzeichnen. Menschen mit Behinderungen könnten sich dann direkt beim UNO-Ausschuss beschweren, wenn die Konvention nicht eingehalten wird. Es gab dazu im letzten Jahr eine Petition der Behindertenverbände und eine parlamentarische Motion, die der Bundesrat allerdings ablehnt.

exklusion integration inklusion

In einer «inkludierten» Gesellschaft sind alle gleichberechtigt und haben die gleichen Wahlmöglichkeiten.

Theoretisch sind schon heute alle gleichgestellt

Ein kurzer Rückblick auf die, Achtung, Behindertengleichstellunggesetzgebungsgeschichte der Schweiz:

1998 beschleunigte die Initiative «Gleiche Rechte für Behinderte» den Gesetzgebungsprozess. Noch bevor sie eingereicht war, verabschiedete das Parlament den folgenden neuen Absatz 2 von Artikel 8 der Bundesverfassung (BV):

«Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, der Sprache, des Alters, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.»

Gleichzeitig begannen National- und Ständerat, ein Gleichstellungsgesetz vorzubereiten. Das alles trug dazu bei, dass die Initiative am 18. Mai 2003 mit 62 Prozent Nein-Stimmen krachend abgelehnt wurde.

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) trat dagegen am 1. Januar 2004 in Kraft. Es sah vor allem vor, dass die öffentliche Infrastruktur innert 20 Jahren behindertengerecht werden soll. Gedanken zur weitergehenden Gleichstellung fanden dagegen kaum Niederschlag.

Die Initiative macht Dampf

Die Initianten der «Inklusions-Initiative» wollen das nun ändern. Sie gehen davon aus, dass die Gesellschaft Menschen mit Behinderung nur «inkludieren» kann, wenn sie die Beiträge für Assistenz deutlich erhöht. Sie brauchen Hilfe und müssen diese bezahlen können. Nur so ist es möglich, dass sie wirklich selbständig und selbstbestimmt leben.

Die Initianten erweitern den Kreis derer, die Anspruch auf entsprechende Leistungen haben, auf betagte Menschen. Das ist richtig überlegt und wird die politische Diskussion sicher beleben. Das allein rechtfertigt es, sich für die «Inklusions-Initiative» zu interessieren.

Wir von der Paraplegie Community sind von dieser Initiative direkt betroffen. Deshalb halten wir euch über unsere «Aktuellen Hinweise» weiter auf dem Laufenden.

indische frau mit gehhilfe mitten auf der strasse

Das Bild erweckt den Eindruck, die gebrechliche alte Frau sei auf Indiens Strassen «inkludiert».

Was neu in die Bundesverfassung kommen soll

Was die Initianten der «Inklusions-Initiative» erreichen wollen, fassen im subtilen und doch deutlichen Juristendeutsch drei Sätze zusammen, die in Artikel 8 der Bundesverfassung stehen sollen, verteilt auf zwei Absätze. Sie lauten:

Absatz 1: «Das Gesetz stellt die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Lebensbereichen sicher. Menschen mit Behinderungen haben im Rahmen der Verhältnismässigkeit Anspruch auf die dafür erforderlichen Unterstützungs- und Anpassungsmassnahmen, insbesondere auch auf personelle und technische Assistenz.»

Absatz 2: «Menschen mit Behinderungen haben das Recht, ihre Wohnform und ihren Wohnort frei wählen zu können und im Rahmen der Verhältnismässigkeit auf die dafür erforderlichen Unterstützungs- und Anpassungsmassnahmen.»

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