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Wie wir leben, was uns freut, was uns belastet

Aus verschiedenen Befragungen liegen jetzt umfassende Erkenntnisse über unsere Lebenssituation vor: im Wirkungsbericht der Schweizer Paraplegiker-Stiftung.

Aus verschiedenen Befragungen liegen jetzt umfassende Erkenntnisse über unsere Lebenssituation vor: im Wirkungsbericht der Schweizer Paraplegiker-Stiftung.

Bin ich der einzige nervöse Spinner, der nachts so unruhig pennt, dass meine Frau seit fünf Jahren das Ehebett nicht mehr mit mir teilt? Der Bericht zur Wirkungsmessung 2019, erstellt von der Schweizer Paraplegiker-Forschung, beantwortet meine Frage: Nein, gar nicht, 62 Prozent der Befragten mit Rückenmarkverletzungen haben Schlafstörungen. Im internationalen Vergleich mit 22 Ländern liegen wir, Schweizer Para- und Tetraplegiker, damit im Mittelfeld.

Solche Untersuchungsresultate legt der 130 Seiten starke Bericht gut verständlich mit vielen Diagrammen vor. Er belohnt uns: Etliche von uns haben an den SwiSCI-Befragungen von 2012 und 2017 teilgenommen, manche auch an Interviews in kleineren Gruppen. Unsere nunmehr ausgewerteten Daten zeigen auf, in welchen Lebensbereichen es uns gut geht, wo uns der Schuh drückt und wie es damit in anderen Ländern aussieht.

Der Schweizer Paraplegiker-Stiftung verraten die Daten, wie wirksam sie ihre Ziele verfolgt. Diese lauten offiziell: Solidarität, Medizin, Forschung und Integration. Mit dieser schonungslosen Messung leistet die Stiftung Pionierarbeit: Keine andere Stiftung in der Schweiz misst bisher ihre eigene Wirkung.

vier sozialforscher im gespräch vor flipchart

Sozialforschung, wie die sie die Schweizer Paraplegiker-Forschung betreibt, ist anspruchsvoll. Sie erfasst Zustände, ohne sie zu werten.

Schweiz ist Spitzenreiter bei der Arbeitsmarktintegration

Um unsere Integration in die Arbeitswelt kümmern sich u. a. die Berater von ParaWork: 61 Prozent von uns gehen einer bezahlten Arbeit nach, noch im Jahre 2012 waren es nur 53 Prozent. International liegt die Schweiz damit an der Spitze.

Fast zwei Drittel von uns sind also so fit, dass sie zumindest in Teilzeit arbeiten können. Das bedeutet, dass Komplikationen wie Druckstellen, Spastik, Harnwegsinfekte, beeinträchtigte Darmentleerung, Kontrakturen, Kreislaufprobleme, eingeschränkte Atmung und – eben – schlechter Schlaf uns mehrheitlich nicht unter den Tisch drücken. Der Bericht bestätigt aber, dass uns diese Folgesymptome der Rückenmarkverletzung sehr wohl vertraut sind. Trotzdem bleiben wir aktiv, bringen uns in der Arbeitswelt ein. Das wiederum trägt dazu bei, dass 73 Prozent von uns «zufrieden mit sich selbst» sind – auch dies ist internationaler Bestwert.

rollstuhlfahrer erhält einweisung am neuen arbeitsplatz 

ParaWork hilft wirkungsvoll, dass wir den Weg zurück in die Arbeitswelt finden.

Über ein Viertel sind nicht mit sich selbst zufrieden

Im Umkehrschluss müssen wir daraus allerdings ableiten, dass 27 Prozent von uns mit sich selbst nicht zufrieden sind. Hinter dieser spröden Prozentzahl verbergen sich mitunter tragische Schicksale. Es liegt jetzt an den Adressaten des Berichts, Lehren aus diesen Statistiken zu ziehen und nach den Ursachen allfälliger Missstände zu suchen. Zu diesen Adressaten zählen neben den Stiftungsverantwortlichen auch wir Betroffenen selbst und alle, die mit uns zu tun haben, bis hin zu Behörden und Politikern.

Oft braucht es wenig, um Lebenssituationen zu verbessern. Meine Frau und ich sind in unseren eigenen Schlafzimmern sehr zufrieden. Ihren Abgang in eines der Kinderzimmer empfand ich zu Beginn als etwas schnöde. Im Rückblick erweist er sich als klug.

Auf die Themenfelder Partnerschaft, Familie und Beziehungen gehe ich in einem kommenden Beitrag ein.

Der Bericht zur Wirkungsmessung 2019 der Schweizer Paraplegiker-Stiftung liegt als Kurz- und als Langversion vor. Die Langversion ist übersichtlich in 15 Kapitel gegliedert, von denen fünf weitere Unterkapitel haben. Einen Vorgeschmack auf vier Seiten liefert Ausgabe 1/2020 des SwiSCI-Newsletters.

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