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Rapper im Rollstuhl
Porträts & Geschichten

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„Böse Buben“ mit guten Botschaften

„Böse Buben“ mit guten Botschaften

Erinnert Ihr Euch noch, wie Ihr Euren ersten Kumpel oder Eure erste Freundin mit Querschnittlähmung kennengelernt habt? War es so, als ob Ihr endlich jemanden gefunden habt, der Euch wirklich versteht, oder jemanden, mit dem Ihr Euch verbunden fühlt?

Ricardo Velasquez und Namel Norris sind zwei junge Männer, die in den USA leben. Eines Tages wurde Namels Mutter auf Ricardo von nebenan aufmerksam. Sie sprach ihn an und fragte, ob er Namels Freund sein könnte. Ricardo war einverstanden und sie tauschten Telefonnummern aus.

Eine Mutter half ihrem Sohn, neue Freunde zu finden – klingt das komisch für Euch? Doch Namels Mutter hatte ihre Gründe: Namel ist querschnittgelähmt und Ricardo ebenfalls. Obwohl sie keine Waffen besassen, sind beide Opfer sinnloser Waffengewalt geworden.

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Erschreckenderweise stehen Gewalttaten wie Schussverletzungsunfälle bei den Ursachen von Querschnittlähmungen in den USA an dritter Stelle.

Gemäss der US National Spinal Cord Injury Database stehen Gewalttaten bei den Ursachen von Querschnittlähmungen (QSL) in den USA an dritter Stelle. Unter den Gewalttaten sind wiederum Schussverletzungen die häufigste Ursache für QSL. Zwischen 2010 und 2018 verursachten Schussverletzungen in den USA 12.2 % aller QSL.

Nach den Schussverletzungen war das Leben der beiden jungen Männer nie mehr wie zuvor. Ricardo erinnerte sich an seine Erlebnisse nach der QSL,

„Am schwierigsten war es zu sehen, wie sich die Menschen von mir distanzierten – Freunde, Familienmitglieder. Das ist nicht fair.“

Namel machte ähnliche Erfahrungen. Auch seine Mutter bemerkte die Veränderungen, was sie sehr aufregte. Als sie dann Ricardo von nebenan im Rollstuhl sah, konnte sie einfach nicht anders als ihn anzusprechen, in der Hoffnung, dass ihr Sohn endlich wieder Freunde haben würde.

Zuerst war Namel diesem neuen Freund gegenüber skeptisch, den seine Mutter für ihn gefunden hatte. Doch schliesslich entschied er sich dazu, sich mit Ricardo zu verabreden. Zum Glück! Denn beide hatten ähnliche Vorlieben und Ziele in Bezug auf Hip-Hop. Als Namel 2006 seinen Abschluss machte, gründeten er und Ricardo schliesslich das Hip-Hop-Duo „4 Wheel City“.

4 Wheel City 2015 bei einem Event zu den Themen Behinderung und Inklusion im Weissen Haus. (Quelle: Facebook von 4 Wheel City)

Über die Jahre produzierte 4 Wheel City seine eigene Musik und hatte Motivationsauftritte an Schulen, Krankenhäusern, Reha-Zentren etc. Die Mission der beiden Rapper: „guns down, four’s up“ (wörtlich: Waffen runter, vier hoch), symbolisiert durch vier Finger, die für das Versprechen stehen, zu „inspirieren, informieren, unterstützen und unterhalten“.

Mit Unterstützung der Vereinigung für Querschnittlähmung von New York City starteten 4 Wheel City 2016 “The Welcome to Reality Tour”. Mit ihrer Musik wandte sich das Hip-Hop-Duo an Schüler und rief dazu auf, Gewalt und Querschnittlähmungen zu verhindern – beispielsweise indem man einen Schulabschluss macht und die richtigen Entscheidungen trifft. Zwei „böse Buben“ mit guten Botschaften.

Ihre Tour wurde positiv beurteilt. Durch ihre Musik und Vorträge erhalten viele junge Leute mit QSL die Motivation zurück. Diese jungen Leute finden endlich jemanden, mit dem sie sich identifizieren können; sie sprechen über ihre Frustration und suchen Hilfe für ihre Probleme. Genau das ist das Ziel von 4 Wheel City, und solche Erfolge halfen auch den beiden Rappern selbst, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Ihr Engagement und die Themen ihrer Songs beschränken sich nicht auf die Verhinderung von Gewalt und Schusswaffengebrauch: Sie rappen z. B. auch über Probleme, die Menschen mit Behinderung mit der öffentlichen Zugänglichkeit erfahren. Schaut Euch dieses Video an:

 

4 Wheel City hofft, nicht nur Menschen mit Behinderung in den USA, sondern auch weltweit anzusprechen. Sie sagten, sie möchten für ihre Kunst Aufmerksamkeit bekommen, nicht nur für ihre Rollstühle. Ricardo erklärte,

“Nur weil du eine Behinderung hast, ist dein Leben noch lange nicht vorbei. Wir möchten andere dazu inspirieren, wieder aktiv zu sein. Es muss nicht Musik sein. Es kann irgendetwas sein, das du gerne tust oder das du zuvor getan hast und dachtest, du kannst es aufgrund deiner Behinderung nicht mehr tun.“

Nach seiner Aussage ist es ganz normal, viele Zweifel zu haben, wenn man eine Behinderung hat – und besonders, wenn man gesagt bekommt: “Oh, das kannst du nicht machen, und jenes kannst du nicht machen.“ Er empfiehlt, dass Menschen mit Behinderung sich alles zutrauen sollten, was sie tun oder sein möchten. Wenn sie diese „unmöglichen“ Ziele schliesslich erreichen, können sie anderen zeigen, dass sie falsch lagen. 4 Wheel City ist ein gutes Beispiel dafür.

Hat die Querschnittlähmung Euren Freundeskreis, Eure Hobbies oder Eure Interessen verändert? Wie seid Ihr mit diesen Veränderungen umgegangen? Wir wünschen Euch für 2019 viele gute neue Erfahrungen mit Euren Familien und Freunden!

[Übersetzung des originalen englischen Beitrags]

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