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Reisen & Freizeit

Mast- und Schotbruch: barrierefrei Segeln

Wind im Haar, Sonne, eine salzige Brise... Auch Menschen im Rollstuhl können die Romantik des Segelns erleben

Wind im Haar, Sonne, eine salzige Brise... Auch Menschen im Rollstuhl können die Romantik des Segelns erleben

Habt ihr schon immer davon geträumt, ein Segelschiff zu steuern? Dann wird es Zeit, den Anker zu lichten! Revolutionäre Konstruktionen auf modernen, zugänglichen Booten ermöglichen auch Menschen mit Behinderungen, hinaus aufs Wasser zu gelangen.

In diesem Beitrag haben wir Informationen zu barrierefreien Segelabenteuern für euch zusammengestellt. Alle Mann an Deck!

Warum Segeln?

Draussen auf dem Wasser sein ist gut für Körper und Geist. Segeln macht körperlich fit – Muskeln, die man normalerweise nicht benutzt, werden aktiviert, um auf einer instabilen Oberfläche zu balancieren. Typische Aufgaben wie das Ziehen eines Segels stärken die Muskeln und verbessern die Koordination. Und die Kombination aus frischer Luft, beruhigendem Wellenrauschen und Wind sorgt für einen meditativen Zustand. Bye-bye, Stress!

Ob auf dem Meer oder im Binnenland, im Team oder allein, auf einer Kreuzfahrt oder einer Regatta – die Möglichkeiten des adaptiven Segelns sind vielfältig. Der erste Schritt ist die Teilnahme an einem adaptiven Programm. Meistens beginnt die Ausbildung mit theoretischen Sitzungen, in denen Neulinge die Grundprinzipien des Segelns lernen.

Der nächste Schritt ist der Gang aufs Wasser. Ausbilder und Assistenten stehen euch zur Seite, um euch anzuleiten und an Bord zu helfen. Braucht ihr mehr Selbstvertrauen, bevor ihr im offenen Wasser üben wollt? Gute Nachrichten: Einige Übungen lassen sich auch an Land durchführen. Mit einem angepassten Simulator könnt ihr ein Boot in verschiedenen Situationen manövrieren, bevor ihr aufs Wasser geht.

Selbst für Menschen mit schweren Mobilitätseinschränkungen ist adaptives Segeln eine Chance, den Rollstuhl an Land zu lassen und in völliger Unabhängigkeit die Naturkräfte herauszufordern.

«Der Rollstuhl ist nicht da, ich bin eine Seglerin, und da ist ein riesiges Gefühl von Freiheit», sagt die britische Seglerin Hilary Lister. Sie war kurz davor, ihrem Leben ein Ende zu setzen – doch dann entdeckte sie den Segelsport für sich und segelte als erste Tetraplegikerin allein über den Ärmelkanal. «Dort verflüchtigt sich der Schmerz. Er geht nicht ganz weg. Aber es ist wie ein Juckreiz: Wenn es etwas anderes gibt, vergisst man ihn.»

Wie sich Boote barrierefrei umbauen lassen

Die möglichen technischen Lösungen sind so vielfältig wie die Boote selbst. Erst einmal sorgt ein breiterer, dickerer Steg oder ein Personenlifter für ein sicheres Einschiffen. Haltegriffe, Transferbänke oder -sitze helfen bei der Fortbewegung auf dem Boot. Rutschfeste gepolsterte Sitze, Riemen und Gurte erhöhen die Stabilität beim Sitzen.

Diverse Anpassungen ermöglichen es der Person im Rollstuhl, das Boot zu steuern. In Booten für Einzelsegler erlauben Kinn- oder Saug-Blas-Steuerungen auch Personen mit eingeschränkter Beweglichkeit vom Hals abwärts die Kontrolle des Bootes. Joystick-Steuerungen werden häufig von Seglern verwendet, die nur in den unteren Gliedmassen eingeschränkt sind. Wer mehr über all diese Anpassungen erfahren möchte, dem empfehlen wir das Handbuch für adaptives Segeln der US Sailing Association (auf Englisch, ab S. 38).

Möchtet ihr auf einem grösseren Boot segeln? Bei Freizeitbooten besteht die grösste Herausforderung oft darin, vom Cockpit in die darunter liegenden Wohnräume zu gelangen. Dafür sind einige Boote mit einem Motorlift ausgestattet. So sieht ein begehbarer Katamaran aus:

Segeln auf einem behindertengerechten Segelboot: barrierefreie Toiletten, Schlafzimmer und ein Deck, auf dem man seinen Prosecco geniessen kann.

Segeln auf Schweizer Seen

In der Westschweiz bietet Swiss Disabled Sailing Segelkurse für Menschen mit körperlichen Behinderungen auf dem Genfer See an. Man kann einen Tagestörn buchen und, falls man davon fasziniert sind, weiterlernen und den Segelschein machen. Als Teil des Clubteams kann man auch an Regatten teilzunehmen. Über weitere Segelmöglichkeiten in der Romandie erfahrt ihr in diesem Community-Blog.

Falls ihr in der Zentral- und Ostschweiz segeln wollt, könnte Sailability eine Option sein, Partner der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV). Sie bieten einzelne Segeltage und Wochenendkurse für Anfänger an, aber auch ganze Segelwochen, regelmässige Trainings und Wettbewerbe. Gesegelt wird unter anderem auf dem Bodensee, Vierwaldstättersee, Zugersee und Thunersee.

Schweizer Seglerinnen und Segler mit Behinderung nahmen 2018 erstmals an einer internationalen Regatta teil – und das mit grossem Erfolg!

Schaut immer mal wieder auf der Website der Stiftung Just for Smiles vorbei, die ebenfalls barrierefreie Bootsfahrten auf vielen Schweizer Seen organisiert. Lest euch dieses Handbuch durch, um eine Bootsfahrt mit ihnen zu planen. Privatpersonen kontaktieren bei Interesse die Stiftung direkt. Auch die Swiss Nautic Academy bietet regelmässig rollstuhlgängige Katamaran-Fahrten auf dem Zürichsee an.

Ganz neu ermöglicht der Verein Ships N'Wheels das barrierefreie Segeln auch auf dem Bielersee. Angeboten werden Kurse und begleitete Ausfahrten, zudem lässt sich demnächst unter bestimmten Bedingungen ein Boot mieten.

Barrierefreie Segeltouren und Boote weltweit

Die Schweizer Seen sind euch nicht genug? Hier sind Listen von Vereinen, die behindertengerechte Segelkurse oder Törns in Deutschland und in Frankreich anbieten.

Falls ihr davon träumt, auf dem Meer oder sogar auf dem Ozean zu segeln, sind hier einige Highlights für barrierefreie Abenteuer im Ausland:

Sich wie ein Pirat fühlen

Die SV Tenacious ist das grösste Segelschiff aus Holz, das vollständig barrierefrei ist. Seit dem Jahr 2000 kreuzt sie mit einer Besatzung aus Menschen mit und ohne Behinderung rund um den Globus und hat bereits über 5000 Rollstuhlfahrer mitgenommen. Jeder nimmt aktiv am täglichen Betrieb des Schiffes teil. Zu den Aufgaben gehören das Ruder, das Besteigen des Mastes, das Setzen der Segel, der Küchendienst und die Navigation. Ja, man kann den Mast im Rollstuhl erklimmen!

Eine Reise auf der STS Lord Nelson, der Schwester des Grossseglers SV Tenacious. Aktuell ist nur die SV Tenacious in Betrieb.

Mittelmeer-Reise

Lo Spirito di Stella ist ein Katamaran, der vom querschnittsgelähmten italienischen Segler Andrea Stella gebaut wurde. Er ermöglicht es Rollstuhlfahrern, das Boot zu steuern und an Bord völlig unabhängig zu sein – Bäder, Kabinen und Speisesäle sind vollständig zugänglich. Im Jahr 2022 startete die Wohltätigkeitsorganisation Wheels on Waves auf diesem Segelboot eine Expedition entlang der italienischen Küste. Für die Jahre 2023-2025 sind neue barrierefreie Abenteuer geplant – Updates folgen auf ihrer Website.

Weitere barrierefreie Segelboote:

  • Yacht Cadamà (Italien) – von einem querschnittsgelähmten Segler so umgebaut, dass alle Funktionen im Rollstuhl zugänglich sind
  • Katamaran Impossible Dream (USA) – das Boot, mit dem der Brite Geoff Holt als erster Tetraplegiker über den Atlantik segelte
  • Katamaran Knoticat (UK) – eines der wenigen frei nutzbaren, barrierefreien Segelboote

Hoffentlich hat euch dieser Beitrag dazu inspiriert, aufs Wasser zu gehen. Wenn nicht, was hält euch davon ab, die Segel zu setzen?

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