Dank dem Eisgleiter können auch Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer auf der Eisfläche ihre Bahnen ziehen. Hier erfahrt hier, wo in der Schweiz das möglich ist.
- 3 Minuten Lesezeit
- 03. Oktober 2024
- anna_g_old
Ein glitzernder Wintertag, frische Luft im Gesicht, das Gefühl zu fliegen, lachende und fröhliche Menschen, Weihnachtsmusik im Ohr. Und das alles auf einer glatten Eisfläche, mit Schlittschuhen an den Füssen – oder einem Rollstuhl-Eisgleiter unter den Rädern.
Schlittschuhlaufen für Menschen im Rollstuhl
Vor einigen Jahren sah ich in meiner lettischen Heimatstadt Ulbroka einen Jungen aus meiner Schule zusammen mit seiner Freundin Schlittschuh laufen. Im Winter ist der See normalerweise zugefroren und das Schilf mit Raureif bedeckt. Das Ungewöhnliche an diesem Anblick war für mich, dass seine Freundin in einem Rollstuhl über das Eis fuhr. Einige Jahre zuvor war es für sie unmöglich gewesen, im Rollstuhl Schlittschuh zu laufen. Heute kann sie es, und das auf eine ganz erstaunliche Weise – mit einem Eisgleiter.
Im Januar 2014 hat die Berner Kunsteisbahn Weyermannshaus erstmals in der Schweiz einen Eisgleiter für Menschen im Rollstuhl eingeweiht. Obwohl seither zehn Jahre vergangen sind, ist der Eisgleiter vielen noch nicht bekannt.
Wie funktioniert der Rollstuhl-Eisgleiter?
Der Eisgleiter der Stiftung Cerebral besteht aus einer Plattform mit Kufen. Der Rollstuhl wird über eine ansteckbare Rampe auf die Plattform geschoben und je nach Radabstand fixiert, damit er nicht herumrutscht.
Der Eisgleiter ist mit fast allen gängigen Rollstuhlmodellen kompatibel. Elektrorollstühle passen allerdings nur bedingt auf die Plattform, zudem spielt das Gewicht eine Rolle.
Hier die technischen Daten des Eisgleiters:
- Eigengewicht: 16 kg
- Zuladung: 150 kg
- Spurbreite (Rollstuhl): 76 cm
- Spurbreite (Rollstuhl): 36 cm
Der Besuch einer Eisbahn mit Freunden oder Familie ist ein grosser Spass und es findet sich immer jemand, der einen gerne über die Eisfläche schiebt. Doch der Eisgleiter lässt sich auch unabhängig von Hilfspersonen bewegen, und zwar mit einem Paar Stöcke, an denen ein Eispickel befestigt ist.
Olympiasieger Hans Rinn entwickelte den Eisgleiter
Wen sonst würde man hinter diesem rodelähnlichen Gerät vermuten, wenn nicht eine ehemalige Rennrodel-Legende? Hans Rinn, ehemaliger deutscher Spitzenathlet, zweifacher Olympiasieger im Doppelsitzer und Bronzemedaillengewinner im Einsitzer, arbeitet heute als Rennrodelrichter und baut mit seiner Firma verschiedene Gleit- und Rutschgeräte. Den Eisgleiter hat er zusammen mit seinen Kollegen Karin Schorbach und Gerhard Kirchner konstruiert.
94 Eisbahnen in der Schweiz sind mit dem Eisgleiter ausgestattet
Mit dem Projekt «Schlittschuhfahren für Menschen im Rollstuhl» will die Stiftung Cerebral ihnen und ihren Familien diese Freizeitaktivität ermöglichen. Sie hat bereits 94 Kunsteisbahnen in der Schweiz mit Eisgleitern ausgestattet. Hier findet ihr die Liste aller Eisbahnen mit Rollstuhl-Eisgleitern oder hier in Kartenform auf der «Cerebral Map».
Die Stiftung lässt die Eisgleiter herstellen, die Produktionskosten von CHF 2'400 pro Stück werden durch Spenden gedeckt. Die Benutzung der Eisgleiter ist kostenlos.
Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer haben also an immer mehr Eisbahnen ihre eigenen «Stahlflügel», mit denen sie über das Eis gleiten können. Es ist zu hoffen, dass immer mehr Länder Menschen im Rollstuhl den Zugang zu diesem Erlebnis ermöglichen. Wer weiss, vielleicht stehen schon bald viele Zuschauer an den Eisbahnen und bewundern die Pirouetten der Rollstuhlfahrer, die ihre Gleittechnik perfektionieren?
Habt ihr den Eisgleiter schon ausprobiert oder wollt ihr es noch tun? Erzählt uns von euren Erfahrungen.