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Gesellschaft

Beziehungen sind nicht einfach

Wir müssen unsere Einschränkungen beherrschen. Sonst werden sie zu Beziehungskillern.

Wir müssen unsere Einschränkungen beherrschen. Sonst werden sie zu Beziehungskillern.

Unsere Hochzeitsanzeige: Der Rollstuhl ist bewusst ausgeblendet.

Für Sozialarbeiter und Psychologen ist es offenbar ein Klassiker: Wenn’s in Paarbeziehungen oder Familien so richtig scheppert, dann oft in den Ferien oder an Feiertagen. Die gemeinsame Gestaltung der Freizeit und das nahe Zusammensein reizen uns auf. Statt Freude und Wohligkeit auszulösen, belasten diese Herausforderungen Beziehungen.

Bei uns kommt hinzu, dass der Rollstuhl eh alles vermiesen kann, im Grunde ein Beziehungskiller ist. Wir lernen aber, unser Leben so zu organisieren, dass wir dieser Gefahr und einschränkenden Sachzwängen entrinnen können. In der Beziehung mit unserem nichtbehinderten Partner wissen wir von Beginn weg, dass die körperlichen Möglichkeiten sehr ungleich verteilt sind. Schon sehr bald nehmen wir auch wahr, dass wir mit unserer Behinderung auch unser soziales Umfeld behindern. Wir riskieren, unseren Mitmenschen zur Last zu fallen.

Wir setzen deshalb alles daran, voraussehbaren Hindernissen auszuweichen. Mehr als andere planen wir unsere Aktivitäten, um starken Gegenwind zu vermeiden. So streben wir danach, unseren Rollstuhl zu beherrschen und nicht zu seinem Sklaven zu verkommen. Wir wollen unserem Partner, auch allen anderen Mitmenschen gefallen. Den Rollstuhl blenden wir aus, soweit das irgendwie geht.

Mit und ohne Partner sind Freizeitaktivitäten im Rollstuhl oft anstrengend, vielfach gar nicht möglich.

Diese Grundhaltung bringt es mit sich, dass wir uns der Beziehung zuliebe bemühen, selbst im Urlaub immer dabei zu sein und mitzuhalten. Als wären wir Abenteurer, bewegen wir uns damit ständig an unseren Grenzen. Über kurz oder lang übernehmen wir uns, denn je älter wir werden, desto mehr schwinden unsere Kräfte.

Bewegungsgetriebene Ferien- und Freizeitaktivitäten führen uns grell vor Augen, wie wenig vergnügliche Betätigungen uns noch offen stehen. Schon in einer Diskothek haben wir im Grunde nichts verloren. Wir können uns dort nicht unbeschwert der Leichtigkeit des Seins hingeben. Allenfalls ergötzen wir uns am Genuss der andern und lassen uns von der Musik berauschen.

Das Alltagsleben in unserem Umfeld meistern wir dagegen vergleichsweise leicht: Wir bewegen uns an Orten, die wir kennen und alles ist so eingerichtet, wie wir’s mögen. Das heisst, wir brauchen weniger Hilfe und sind auf Augenhöhe mit unseren Partnern und Kollegen: Am PC sitzen auch sie in Stühlen mit Rollen, abends vor dem Fernseher hängen sie im Fauteuil oder liegen auf dem Sofa. Wir können uns zu ihnen gesellen. Auch die Restaurants, Kinos, die Museen und das Theater besuchen wir heute, ohne mühselig und kräftezehrend Hindernisse überwinden zu müssen. Einer Beziehung tut das gut. Sie wird partnerschaftlich, denn der Rollstuhl hat als Hilfsmittel lediglich eine wichtige Nebenrolle. Bestimmend ist er nicht.

Sie mögen sich und meistern die Herausforderungen. Der Rollstuhl scheint nur eine Nebenrolle zu haben.

Das alles scheint zu bedeuten, dass wir am besten zu Hause bleiben und von dort aus unseren Verpflichtungen und unserer Arbeit nachgehen. Finden wir einen liebenswürdigen Partner, der sich auch so organisieren will, ist dies ein gangbarer Weg. Er reibt uns nicht auf und schützt unsere Beziehung vor den Hürden auf anderen Wegen.

Trotzdem gibt es natürlich andere Wege. Wir können sie einschlagen, wenn es uns gelingt, die Belastung unserer Körperbehinderung einzugrenzen. Das muss das übergeordnete Ziel sein. Wir dürfen nämlich nie vergessen, dass wir neben unseren erworbenen Einschränkungen auch alt hergebrachte Schrullen und Schwächen in eine Beziehung tragen. Sie sind es, derentwegen in den Ferien und an Feiertagen die Fetzen fliegen, sagen die Fachleute.

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