Die Sozialforscher sind sich einig: Gute soziale Beziehungen stärken uns.
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- 15. Februar 2021
- fritz
Die Sozialforscher sind sich einig: Gute soziale Beziehungen stärken uns.
Dank den Befragungen durch die Schweizer Paraplegiker-Forschung gibt es inzwischen viele Daten über die Lebensweise von uns «Menschen mit Rückenmarksverletzungen». Wer an den SwiSCI-Studien teilgenommen hat, ist in die entsprechenden Statistiken eingeflossen. Wir haben schon früher mal berichtet, dass sich viele einsam fühlen.
Im Vergleich schneiden wir mies ab
Gestützt auf unsere Angaben, ist eine weitere Studie entstanden. Ihre Autoren sind die Sozialforscher Dr. Valérie Carrard, Dr. Simon Kunz und Dr. Claudio Peter von der Schweizer Paraplegiker-Forschung. Sie verglichen, wie’s denn um uns im Vergleich zur übrigen Bevölkerung steht.
Das Resultat ist ernüchternd: Wir fühlen uns stärker belastet, haben weniger Energie und weniger Lebensqualität als die anderen. Darüber hinaus trauen wir uns weniger zu. Unser Sozialleben ist dürftiger, weniger befriedigend, wir leben häufiger alleine, und der Anteil Unverheirateter ist bei uns höher.
Dagegen sind 34 % von uns psychologisch auffällig gegenüber 11 % in der übrigen Bevölkerung. Bei 19 Prozent sind die seelischen Probleme sogar gravierend, bei den anderen sind es nur 5 Prozent.
Bitte mehr psychologische Betreuung
Die Autoren des Berichts schliessen aus diesen Erkenntnissen, dass mehr psychologische Betreuung angebracht wäre. Das ist nachvollziehbar, denn die Zahlen wirken auf den ersten Blick tatsächlich alarmierend.
Es kommt allerdings auf die Sichtweise an: Im ebenfalls 2020 erschienenen «Bericht zur Wirkungsmessung (der Schweizer Paraplegiker-Stiftung) 2019» – ich habe berichtet – lesen wir, dass 73 Prozent der Befragten «mit sich selbst zufrieden oder sehr zufrieden sind». Im Umkehrschluss bedeutet das: 27 Prozent sind in unterschiedlichem Ausmass nicht zufrieden. Der Bericht hebt indes nicht hervor, ob sie deswegen «psychologisch auffällig» sind.
Zufriedenheit auf tieferem Niveau
Aus eigenen Erfahrungen wissen wir, dass viele von uns aufgrund der Rückenmarksschädigung die Erwartungen ans Leben etwas zurückschrauben, sich tatsächlich weniger getrauen und zutrauen. Auf tieferem Niveau pendelt sich unser Wohlbefinden dann wieder ein, ohne dass wir ständig vergleichen. Diese These würde die hohe Zufriedenheitsquote von 73 Prozent erklären.
Sie trifft allerdings nur zu, wenn wir keine zusätzlichen Komplikationen haben. Die Sozialforscher bestätigen in ihrem Bericht, dass uns endlose Sekundäreffekte der Querschnittlähmung wie Schmerzen, Infekte und Hautprobleme viel stärker zermürben als das Leiden an sich.
Beziehungen stärken uns
Die verschiedenen Berichte, die nun vorliegen, reden alle davon, dass die Beziehungen zu Mitmenschen ein Schlüsselfaktor sind. Je besser wir ins Sozialleben eingebettet sind, desto wohler fühlen wir uns.
Wichtig ist allerdings, dass sich die Beziehungen auf Augenhöhe abspielen. Sind wir nur Bittsteller und/oder Pfleglinge, werden Beziehungen belastend. Wir vereinsamen innerlich, obschon wir von Mitmenschen umgeben sind. Die Sozialforscher bringen’s auf den Punkt: Eine schlechte Ehe kann uns mehr stressen, als alleinstehend zu sein.
Alleinstehende unterteilen sich im Übrigen in Untergruppen. Die einen leben alleine, weil sie es sich leisten können. «Single» sind sie nicht oder allenfalls freiwillig. Die anderen sind alleine, weil die Umstände nichts anderes zulassen. Sie fühlen sich gezeichnet, glauben, nichts bieten zu können, und ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück. Frauen erleiden das häufiger als Männer.