Die Typologie reicht von stark Anteilnehmenden über kühle Nüchterne bis zum Ekel.
- 3 Minuten Lesezeit
- 02. Mai 2021
- fritz
Die Typologie reicht von stark Anteilnehmenden über kühle Nüchterne bis zum Ekel.
In dieser kleinen Blog-Serie versuche ich mich an einer Typologie der drei Hauptakteure im Krankenhaus: Pflegende, Ärzt/-innen und Patient/-innen. Natürlich rein subjektiv und immer mit einem Augenzwinkern.
Der Gedanke, den Mitmenschen zu dienen, der Nächstenliebe nachzuleben, verbindet alle Pflegenden und prägt ihren Auftritt: Sie sind offenherzig, anteilnehmend, gehen auf die Menschen zu, haben keine Berührungsängste, ekeln sich vor kaum etwas.
Der lässig-locker Daherkommende mit Tätowierungen an den Armen und langem, zu einem Chignon geflochtenen Haar wie auch die selbstbewusste Gutaussehende in eng anliegenden Jeans und langem brünettem Pferdeschwanz: Beide könnten ebenso gut in einer Rockband spielen, sind aber «Diplomierte Pflegefachleute HF» und haben eine fünfjährige Ausbildung hinter sich.
Im Team arbeiten sie mit anderen «Diplomierten» und den «Fages», Fachangestellten Gesundheit. Letztere haben ihre dreijährige Lehre mit dem EFZ, dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis abgeschlossen.
Der lässig-lockere Pfleger tritt auf, als wäre er ein Rock-Gitarrist.
Die Fürsorglichen
Pflegende sind mehrheitlich Frauen. Unter ihnen finden sich nicht wenige Fürsorgliche. Sie nehmen überschwänglich Anteil am Schicksal ihrer Pfleglinge; manche von ihnen empfinden sie als rührselig, beinahe übergriffig. Dabei sollten sie dankbar sein, dass sie so viel Zuwendung erhalten.
Die Fürsorglichen setzen sich klaglos ein, arbeiten oft sehr gewissenhaft, überwachen alles, suchen nach Quellen möglichen Unheils. Schliesslich soll es selbst Schwerkranken besser gehen, nachdem sie sie möglichst umsichtig betreut haben. Nur das Beste ist gut genug für ihre Patienten. Nicht selten lassen sich diese Fürsorglichen von religiösen oder politischen Idealen antreiben. Die ganze Menschheit möge gesunden. So verstehen sie ihre Mission.
Trotz Maske verrät mir ihr sympathischer Blick: Sie ist anteilnehmend und fürsorglich.
Die kühlen Nüchternen, die Bodenständigen und die Anschmiegsamen
Ihnen gegenüber stehen die Nüchternen. Sie verlieren wenig Worte, wirken auf den ersten Blick unterkühlt. Dafür arbeiten sie schnell und wirksam. Sie richten sich auf das Wesentliche aus, Gefälligkeiten erbringen sie widerspruchslos, wenn der Patient danach fragt. Tut er es nicht, bleiben seine Haare fettig und ungekämmt.
Der oder die Bodenständige verhält sich da anders: «Ich wasche Ihnen noch Ihr Haar», kündigen sie an und packen gleich zu, schwungvoll und zuzwinkernd. Niemand erwägt, nein zu sagen.
Gerade umgekehrt verfährt die Anschmiegsame: «Heute machen wir zuerst Ihre Haare, die Vitalwerte messen wir später», verkündet sie liebevoll und verwickelt ihren Schützling in ein Gespräch über die Schönheiten des Lebens.
Bodenständig und zupackend ist sie, unterstelle ich ihr.
Die Alleskönner
Die engagierten Fürsorglichen, die kühlen Nüchternen, die zupackenden Bodenständigen, die liebenswürdigen Anschmiegsamen ergänzen sich wunderbar, wenn eine Bedingung erfüllt ist: Sie brauchen einen Alleskönner im Team.
In jedem Team, erst recht in der Rettung, braucht es Alleskönner.
Diese sind überdurchschnittlich oft Männer, vielfach Typus kühl-nüchtern. Alte Hasen sind sie, wissen alles, können alles, nämlich: schmerzfrei spritzen, Infusionen stabil setzen, sorgsam katheterisieren, Wunden sauber versorgen, Patienten heben und Därme ausräumen; deren Inhalt reihen sie gemäss der Bristol-Stuhlformen-Skala von 1 bis 7 ein und empfehlen, falls nötig, geeignete Massnahmen. Danach verabschieden sie sich, ohne Dank für ihr Wunderwerk zu erwarten.
Pflegende des Typs «Alleskönner» skalieren auch den Stuhl ihrer Schützlinge – mit der Bristol-Stuhlformen-Skala.
Das Ekel
Menschen, die Hilfe brauchen, treiben alle Pflegenden auf. Dank ihnen leben die Empfänger ihrer guten Dienste gleichermassen auf. Die Ausnahme bestätigt die Regel: Unter den Pflegenden stossen wir noch heute gelegentlich auf den Typus des Ekels, des Plagegeistes.
Er hilft, indem er herrscht, die Hilflosigkeit seiner Patienten ausnützt. Etwa so: Schon seit zehn Jahren arbeitet Miko mit Para- und Tetraplegikern, weiss inzwischen alles, sicher mehr als ich, der seit 44 Jahren tetraplegisch ist. «Heute führen Sie nochmals mit X-Prep ab», verfügt er, ohne dass ich mich erwehren kann. Zehn Minuten später erscheint der Oberarzt: «Das war aber nicht verordnet». «Ist schon drin», erwidert Miko schnöde.
Nun soll er auf Verordnung hin eine Infusion setzen. Dazu ist er nicht fähig. Kleinlaut muss er die Alleskönnerin rufen.
Hier geht es zum zweiten Teil der Blog-Serie über Ärzt/-innen und zum dritten Teil über Patient/-innen.