Ob kumpelhaft oder seriös, wissenschaftlich oder alternativ, ganzheitlich oder spezialisiert: Bei Ärzten kommt es uns auf den Stil an.
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- 19. Mai 2021
- fritz
Ob kumpelhaft oder seriös, wissenschaftlich oder alternativ, ganzheitlich oder spezialisiert: Bei Ärzten kommt es uns auf den Stil an.
Im zweiten Teil meiner kleinen Typologie der Hauptakteure im Krankenhaus geht es um die «Halbgötter in Weiss».
Ärztewitz vom Biertisch: «Die Internisten wissen alles und können nichts, die Chirurgen können alles und wissen nichts, und die Psychiater wissen nichts und können nichts.»
Wer so klassiert, übernimmt stumpfsinnig, wie wir als Gesellschaft ärztliche Leistungen bewerten: Den Chirurgen, ebenso den Radiologen, stufen wir hoch ein. Ihm schmeissen wir das Geld hinten nach. Den Internisten nehmen wir weniger ernst. Immer wieder diagnostiziert er falsch. Mehr als ein ebenfalls fehlbarer Chefbeamter braucht er nicht zu bekommen, und der eh versponnene Psychiater soll froh sein, wenn wir ihm einen Durchschnittslohn gewähren.
Der Stil macht den Unterschied
Klüger wäre es, wir würden zwischen guten und schlechten Ärzten unterscheiden. Von beiden gibt es in allen Ärztegruppen viele, so wie es noch mehr unterschiedliche Patienten gibt. Jeder Patient erlebt Ärzte anders, jeder hat seine eigenen Ansprüche.
Das führt dazu, dass jeder Schlechte bei einem anderen ein Guter ist. Eigentliche Fehlleistungen bleiben oft unentdeckt, oder die Patienten verzeihen sie: «Das konnte er nicht wissen, sonst ist er gut.»
Hinter dem, was wir als gut oder schlecht empfinden, verbergen sich ärztliche Verhaltensmuster, therapeutische Stile: «Ihre Leberwerte sind gut, Sie können weiter saufen», stellt der jovial-kumpelhafte Doktor fest.
Der eine findet solche Sprüche witzig, die enthaltsame ältere Dame weniger. Sie bevorzugt den seriös-umsichtigen. Er vermittelt ihr, sich Zeit zu nehmen, untersucht sie gründlich, erwägt, ob vielleicht psychische Gründe ihre morgendlichen Kopfschmerzen verursachen und fragt sie schliesslich: «Was für ein Verhältnis hatten Sie als Kind zu ihrer Mutter?»
Wissenschaftlich sauber muss es sein
Dem wissenschaftlich-methodisch Ausgerichteten entsprechen solche Intimitäten gar nicht. Er gibt wenig auf die Aussagen seiner Patienten, will alles objektiviert haben – um nach langer Untersuchung mit zahlreichen Messungen und umfangreicher Bildgebung feststellen zu können: «Es ist genauso, wie Sie es beschrieben haben.»
Dieser Wichtigtuer in Weiss misstraut mir, findet dazu der eine; der andere ist erfreut, dass dieser hoch qualifizierte Mediziner so sauber arbeitet und ihm in der Folge eine Therapie verordnet, die auf dem Nachweis ihrer Wirksamkeit beruht. Gute Medizin ist evidenzbasiert.
Der Hang zur wissenschaftlichen, evidenzbasierten Methodik kann missionarisch werden. Die Patienten haben sich ihm zu fügen, selbst wenn sie sich über einen diagnostizierten Schwachpunkt gar nicht beklagt haben. Behandelt wird er gleichwohl.
Der Instinkt diagnostiziert
Ganz anders eingestellt ist der gewiefte Diagnostiker. Er verzichtet auf langwierige Objektivierung. Dafür setzt er auf Erlerntes und seinen Instinkt. Er lässt den Patienten kurz erläutern, was ihn plagt, nickt nachdenklich und drückt ihm ein Medikament in die Hand. Selbstsicher erklärt er dazu: «Das wird Ihnen helfen. Wenn nicht, melden Sie sich.» Wissenschaftshörige empören sich, dass Ärzte so leichtsinnig und unfundiert arbeiten. Bei vielen kommt dieser Stil indes gut an.
Der Ansatz des stumpfsinnigen Spezialisten weniger: Auf den Einwand, die empfohlene Therapie sei kaum durchführbar und angesichts der Nebenwirkungen gefährlich, antwortet er: «Aber sie ist gut für Ihre Blase.»
Stars und Gurus
Erhaben über allem stehen die Stars, meistens gutaussehende Männer, die sich gerne von den Medien feiern lassen. Sie vollbringen Wunder, arbeiten am offenen Herz, im Schädel und im Darm, unseren vitalen Schaltstellen. Dem Tode Geweihte operieren sie zurück ins Leben.
Der Kardiologe Thierry Carell ist ein prominentes Beispiel; ebenso war es sein Berufskollege Marko Turina. 2004 durften ihn die Zuschauer der Nachrichtensendung «10 vor 10» bei einer Herztransplantation begleiten - und das bis zum tragischen Ende. Der Eingriff misslang, die Patientin verstarb drei Tage später. Der Starchirurg trat «altershalber» zurück.
Als überlegene Weisheitsträger gefallen sich viele «Ganzheitliche», Alternative, «Esos», «Homöos» und Gurus. Nicht alle sind Mediziner, aber alle kennen sie die Geheimnisse des Lebens, wissen, wie die Götter zu stimmen sind. Folgen wir ihnen getreulich, so erfreuen auch wir uns der Früchte guter Lebensführung. Vielleicht können wir gar eine Querschnittlähmung überwinden – wie es mir von Zweien als denkbar verheissen worden ist.
Hier geht es zum ersten Teil der Blog-Serie über Pflegende und zum dritten Teil über Patient/-innen.