Auch wir Patient/-innen werden nach unserem Verhalten kategorisiert. Es gibt Kämpfer und Leidende, Liebkinder und Herrscher, Betörer und Hypochonder.
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- 04. Juni 2021
- fritz
Auch wir Patient/-innen werden nach unserem Verhalten kategorisiert. Es gibt Kämpfer und Leidende, Liebkinder und Herrscher, Betörer und Hypochonder.
Der dritte Teil meiner Typologie der Hauptakteure im Krankenhaus befasst sich mit uns Patientinnen und Patienten.
Böse ist es nicht gemeint: Gleichwohl frotzeln wir gerne über die Ärzte, Pflegenden und Therapeuten, die uns Patienten so nett oder manchmal auch weniger nett betreuen. Dabei vergessen wir, dass es in den Stations- und Besprechungszimmern wohl nicht anders klingt.
Als hilfesuchende Patienten bieten wir uns förmlich an, gemustert und eingeteilt zu werden: So etwa nach Alter, Geschlecht, unseren Gebresten und schliesslich, ob wir «Private» oder «Allgemeine», potenziell Reiche oder Arme, Gebildete oder «Einfache» sind.
All dies verrät indes nicht, wie wir uns in der gegebenen Ausnahmesituation verhalten. Schon mehr sagt unsere Ausstrahlung aus; noch mehr, wie wir uns dem zuweilen garstigen klinischen Umfeld anpassen. Ein breites Spektrum geben wir ab. Es reicht vom braven Liebkind bis zum unappetitlichen Verwahrlosten.
Unterwürfig sind die einen, bedauernswert die anderen
Die Liebkinder wollen gefallen, geben sich hilfloser, als sie sind, fallen beinahe zurück in die symbiotische Säuglingsrolle. Etwas weniger ausgeprägt ist das bei den hierarchiegläubigen Gehorsamen. Als Patienten vertrauen sie den Ärzten, Pflegenden und Therapeuten voll und ganz, am allermeisten dem Chefarzt. «Weh muss es tun, sonst nützt es nichts», verkünden sie in der Physiotherapie gut hörbar. Alle sollen wissen, dass sie sich dem klinischen Heilsregime gerne unterwerfen.
Ebenfalls mit unterwürfiger Haltung fressen die still Leidenden ihre Beschwerden in sich und warten auf bessere Zeiten. Gelegentliche Besuche, die sie verständnisvoll begleiten, heitern sie vorübergehend auf.
Die bedauernswerten Einsamen besucht dagegen niemand. Unter den anderen Patienten hält vielleicht einer oder zwei zu ihnen, ebenso einige anteilnehmende Vertreter des Personals. Bald nach Hause zurückkehren zu dürfen, belastet Vereinsamte oft mehr, als es sie freut. Entsprechend zieht sich ihr Genesungsprozess dahin.
Das Personal oder sich selbst beherrschen
Ganz anders als die obigen Typen verhalten sich die hochmütigen Herrscher. Rechthaberisch wissen sie alles am besten, sind verwöhnt und sehen sich von Diensttuenden umgeben, die ihren Weisungen zu folgen haben. Bewusst verkennen sie, wer auf wen angewiesen ist.
Im Vergleich zu ihnen kommen die verbissenen Kämpfer warmherziger rüber. Sie sehen sich selbst in der Pflicht, wollen ums Verrecken genesen, sich optimal rehabilitieren. Erfüllen sich ihre Hoffnungen nicht, verbittern sie. Die abwägenden Zielbewussten teilen ihre Kräfte besonnener ein, vermeiden es, enttäuscht zu werden.
Zuletzt gibt es eine nicht so kleine Gruppe von charmanten Betörern. Zwar hat das Personal gelernt, dass es unprofessionell handelt, sobald es sich auf Intimitäten einlässt. Amors betörender Liebespfeil trifft trotzdem recht häufig.
Patientenbilder im Stationszimmer, in der Kunst und Literatur
Im Stationszimmer verkürzen sie unsere verschiedenen Verhaltensmuster auf einige Schlüsselbegriffe. Im klinischen Alltag sind wir als Kooperative beliebt, als Unkooperative gelten wir als störrisch. Auf psychologischer Ebene gelten wir als vernünftige Einsichtige oder als kopflose Uneinsichtige, die nicht anerkennen, dass ihnen was fehlt.
Bis in die bildende Kunst und die Literatur haben es ferner drei Grundtypen von Patienten gebracht: Der röchelnde, halb erfrorene Clochard, den die Polizei eingewiesen hat. Lieber wäre er in der Gosse geblieben.
Weiter die fast schon dickfelligen Überlebenskünstler. Ihre Diagnosen, eine furchterregender als die andere, füllen ganze Seiten. Sie sind eigentlich tot und doch leben sie beharrlich, womöglich zu Hause.
Dort verbleibt auch der Hypochonder. Er unterwirft sich hingebungsvoll seinen eingebildeten Krankheiten, aber ja nicht der Fremdbestimmung in einer Klinik.
(Eine vierte Gruppe im Krankenhaus sind die Krankenbesucher, mit denen ich mich schon früher einmal befasst habe.)