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Gesellschaft

Witze über uns?

Nein danke! Witzig ist nur, wer über sich selbst lachen kann

Nein danke! Witzig ist nur, wer über sich selbst lachen kann

Ob Mann, Frau oder Kind: Wer einer gesellschaftlichen Randgruppe angehört oder sonst irgendwie auffällt, muss immer damit rechnen, dass seine lieben Mitmenschen über ihn höhnen, ihn umgehen oder ihn schon fast grenzenlos bewundern. Er verunsichert die Menschen, die ihn umgeben. Deshalb verhalten sie sich so.

Witze sind verboten

Es fällt ihnen schwer, Andersartige einfach einzuschliessen, sie zu inkludieren. Leichter ist es, unter seinesgleichen über sie zu witzeln. Dürfen sie das? Die klare Antwort lautet nein, so stellten sie im Schweizer Fernsehen am 17. April 2008 in einem vierminütigen Beitrag fest.

Wir Menschen wissen das allerdings schon seit über 2000 Jahren, auch wenn wir nicht immer danach handeln. Das achte der zehn biblischen Gebote lautet bekanntlich: «Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.»

Das Gebot deckt sich mit einem uralten ethischen Grundsatz, den wir in allen Kulturen finden. Wir tun gut daran, uns nicht über unsere Mitmenschen zu belustigen, uns abfällig über sie zu äussern oder Unwahres über sie zu verbreiten. Halten wir uns nicht daran, so zerstreiten wir uns über kurz oder lang, und der Richter bestraft uns wegen «übler Nachrede». Beschimpfen sich ganze Volksgemeinschaften, so gibt es Krieg, nicht selten Genozide.

zehn gebote in stein gemeisselt

Falsch Zeugnis reden sollen wir nicht, steht schon in den zehn Geboten.

Es gibt nicht wenige Zeitgenossen, die glauben, scherzhaft über andere zu spötteln, sei humorvoll. Dabei ist es gerade umgekehrt: Wer Humor hat, ist fähig, sich selbst witzig und geistreich ins Lächerliche zu ziehen.

Das bedeutet: Behinderte dürfen sehr wohl über sich selbst witzeln. Sie tun es, wie mir scheint, vergleichsweise selten. Viel bekannter sind dagegen die Judenwitze. Die besten kommen von den Juden selbst. Das ist gut so.

Witze über andere sind oft geschmacklos

Witze von Nichtjuden sind vielfach abwertend und bestätigen Vorurteile, zum Beispiel so: «Moise beklagt sich beim Kaufmann, dem er 1000 Sardinenbüchsen abgekauft hat, dass die Fische in den ersten drei, die er geöffnet hat, alle stanken. Der Kaufmann antwortet: ‹Die Büchsen waren nicht für den Verzehr gedacht, nur für den Handel›.» Der Witz karikiert den Juden einmal mehr als geldgierigen Schwindler. Er ist inhaltlich weder neu noch besonders originell, dafür unterschwellig antisemitisch.

drei finger zeigen hämisch auf eine person

Witze über andere sind oft hämisch und nicht witzig.

An der Grenze zum Geschmacklosen bewegt sich auch dieser Witz über Behinderte: «Erst schmissen sie einen Blinden ins Heilwasser und siehe, er kam sehend wieder raus; danach einen Tauben, und hörend entstieg er dem Wasser; schliesslich einen im Rollstuhl und – oh Wunder: Als sie ihn rauszogen, hatte der Rollstuhl neue Räder.»

Witzig, wenn auch frech, war mein Zimmergenosse in der Erst-Reha: «Dann winkst du wie die Königin von England!», bemerkte er, nachdem ich mich beklagt hatte, dass inzwischen selbst mein Handgelenk und die Fingermuskulatur spastisch geworden waren.

Über sich selbst zu lachen, tut gut

Über uns selbst dürfen wir uns jederzeit lustig machen. Wir sollten sogar. Es tut uns allen gut, wenn wir uns immer wieder in Frage stellen. Die Königin von England beherrschte das. Sie konnte nicht nur winken. Wichtigtuer und eitle Selbstverliebte sind dazu nicht fähig. Sie glauben ernsthaft, ohne sie könne die Welt nicht bestehen.

Einer, der seine Rolle als Behinderter und türkischstämmiger Deutscher fast auf die Spitze treibt, ist der Schauspieler und «Comedian» Tan Caglar. Er ist im doppelten Sinne randständig, gehört nicht der Mehrheit an und spielt das aus. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat über ihn berichtet. Im folgenden Video findet Ihr eine Kostprobe, und wem das nicht genug ist, dem sei sein Buch empfohlen.

Ein weiterer Comedian im Rollstuhl, der seiner Behinderung viel Lustiges abgewinnt und der bereits hier vorgestellt wurde, ist der sehr junge Carl Josef. Hier ein Auftritt von ihm im Alter von 14 Jahren:

Einen «Kultstatus» im deutschsprachigen Raum hat sich Phil Hubbe erarbeitet – auch in unserem Forum wurde er bereits empfohlen. Mit seinen witzigen, oft beissenden und selten politisch korrekten Cartoons nimmt der von Multipler Sklerose betroffene Hubbe nicht nur «Behinderte» aufs Korn, sondern auch diejenigen, die sie mit ihrem Verhalten eben behindern. Hier sind einige Kostproben von ihm, ein Interview im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung.

Und wer noch nicht genug gelacht hat, dem seien zum Schluss noch einige frühere Beiträge auf der Community zum Thema Humor und Behinderung empfohlen:

  • Warum Lachen die beste Medizin ist
  • Cartoons des berühmten englischen Cartoonisten Dave Lupton (nur auf Englisch)
  • «My Gimpy Life», eine humorvolle Online-Videoserie über eine Hollywood-Schauspielerin im Rollstuhl – mit wahrem Hintergrund
  • Das witzige BBC-Kurzvideo «Was man nicht zu einem Rollstuhlfahrer sagen sollte» (das Video ist gibt es nur auf Englisch)

Bewertung: 5 / 5

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