Bitte macht bei der neuen «Work-Life»-Umfrage von SwiSCI mit. So lässt sich das eine oder andere für die Zukunft verbessern
- 4 Minuten Lesezeit
- 12. April 2024
- fritz
«Work-Life» heisst die neue Studie der Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF) im Rahmen der SwiSCI-Umfragen. Sie hat mich genau 61 Minuten meines siebzigjährigen Lebens gekostet. Mein Rat: Fühlt euch geschmeichelt, dass sich die Sozialforscher der Schweizer Paraplegiker-Forschung so sehr für uns interessieren.
Eine Reise durchs Leben
Beantwortet die vielen Fragen ruhig, auch wenn euch die eine oder andere eigenartig vorkommt. Reist wie ich durchs Leben, schaut zurück und denkt nach.
Bei mir beginnt es 1977 in der Erstreha im Paraplegikerzentrum (PZ) in meiner Heimatstadt Basel: Noch während der damals üblichen Liegezeit stand der Berufsberater der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) an meiner Bettkante und brachte mir den Begriff «Eingliederung» bei. Ich handelte mit ihm aus, dass ich auf Einladung der IV an der Schule für Angewandte Linguistik (SAL) in Zürich eine dreijährige Ausbildung zum Journalisten absolvieren durfte.
Ursprünglich war ich kaufmännischer Angestellter, ein gemeiner «Bürogummi», um es mal salopp zu formulieren. Ich entwickelte mich beruflich weiter, wurde freier Journalist, später Texter in einer Agentur. Schliesslich kehrte ich Ende 1983 zu meinem Lehrmeister, einer Basler Grossbank, zurück und erhielt eine gut bezahlte Halbtagsstelle als «Redaktor».
Geben Sie ein paar Jahre Gas!
1984 luden wir Guido A. Zäch, den damaligen Chefarzt des PZ, zum Abendessen ein. Wir unterhielten uns gut. Er riet mir: «Geben Sie doch ein paar Jahre Gas, erhöhen sie Ihr Pensum. So verbessern Sie Ihre Rentensituation und Ihre beruflichen Aussichten».
1985 setzte ich Zächs Rat in die Tat um. Ich bewarb mich auf eine attraktive Vollzeitstelle, die ich auf 80 Prozent herunterhandelte. Ich verlor meine bescheidene halbe Rente, verdiente aber mehr als vorher. 31 Jahre alt war ich da.
Zehn Jahre lang gab ich Gas, aber dann wurde es mir zu viel. Ich musste fünf Wochen pausieren, und man empfahl mir, wieder auf Halbgas zu gehen, also auf 50 Prozent zu reduzieren. «Teilinvalidität» nannten sie das im Personalbüro. Wie Guido Zäch vorausgesagt hatte, erhielt ich nun eine höhere IV-Rente und zusätzlich eine halbe Pensionskassenrente. Das ging gut bis Mitte 2006, als die Bank in der UBS aufging.
Mit 52 Jahren frühpensioniert
Das Gärtchen, das ich als Vizedirektor in der bonusgetriebenen Riesenbank zu bestellen hatte, wurde immer kleiner und weniger erfreulich. Ich war damals 52 Jahre alt. Trotz aller Bemühungen war es nicht möglich, mit «einer 5 auf dem Rücken» und einer Tetraplegie eine andere Teilzeitstelle zu finden. Dafür bot sich mir die Möglichkeit, mich als Texter und Redaktor selbständig zu machen.
So ging ich vorzeitig in Pension. Die Rente deckte das Risiko ab. 2007 gründete ich nach fast 24 Jahren im Angestelltenverhältnis meine Einzelfirma V-Vischer, Texte & Redaktion.
Zwei Schlüsselentscheide
Wenn ich zurückblicke, erwiesen sich Zächs Rat und mein Entscheid, mich selbständig zu machen, als wahre Perlen. Ich texte auch im zarten Alter von 70 Jahren immer noch zufrieden, wenn auch weniger, und Monat für Monat kommt Geld aufs Konto.
Die Sozialforscher scheinen nicht daran gedacht zu haben, dass wir unser «Work-Life» so gestalten könnten. Ihre Fragen lassen nur vorformulierte Antworten zu, wie sie im «Multiple-Choice-Verfahren» üblich sind.
Das, was ich geantwortet habe, spiegelt allenfalls teilweise wider, wie mein Leben verlaufen ist. Sie erfahren nur, dass ich Schulterprobleme habe, aber nicht, dass ich mich deswegen jeden Tag niedergeschlagen fühle. Ich nehme immer mehr Hilfe in Anspruch, seit ich mir am 21. September 2021 rechts vier Sehnen gerissen habe. Das sollte die Sozialforscher interessieren.
Warum solltet ihr an den SwiSCI-Studien teilnehmen? Was nutzt SwiSCI überhaupt?
Beantwortet die Fragen zur «Work-Life» trotz Vorbehalten. Hier einige Gründe, die dafürsprechen:
- In entlegeneren Landesteilen gibt es inzwischen Hausärztinnen und Hausärzte, die eine Weiterbildung in Paraplegiologie absolviert haben. Dies ist einer Initiative zu verdanken, die aus den SwiSCI-Befragungen hervorgegangen ist.
- SwiSCI-Studienresultate wurden in die klinische Therapie der Schmerzmedizin Nottwil integriert: Übungen der Positiven Psychologie helfen Betroffenen dabei, mit ihren Schmerzen besser umzugehen.
- Dank der Befragungen wissen wir heute, wie gut Rückenmarkverletzte in der Schweiz in den Arbeitsmarkt integriert sind und wo wir im internationalen Vergleich stehen.
- Die Studienresultate der SwiSCI-Angehörigenstudie bildeten eine Wissensgrundlage des Förderprogramms «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige» des Bundesamts für Gesundheit.
- Wenn wir weitere Verbesserungen für Betroffene anstreben, brauchen wir verlässliche Daten. Vermutungen reichen nicht aus, um in der Politik etwas zu bewegen. Die Erhebungen von SwiSCI liefern die notwendigen Daten.
- Alle Bereiche des öffentlichen Lebens stützen sich heute auf die Sozialforschung. Rückenmarkverletzte sind eine kleine gesellschaftliche Gruppe, über die wenig bekannt ist. Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt deshalb die «Work-Life»-Studie vollumfänglich.