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Wissenschaft

Aktuelle Ergebnisse aus der SwiSCI-Umfrage

Die Ergebnisse aus der SwiSCI-Studie von 2022 liegen vor. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass wir später im Leben verunfallen und immer älter werden.

Kürzlich haben wir im Blogartikel «Erforscht werden wir!» darüber informiert, dass die Sozialforscher der Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF) die dritte «Bevölkerungsumfrage» im Rahmen der SwiSCI-Studie abgeschlossen haben. Die Befragung fand im Jahr 2022 statt.

Nun haben die Forscher die Daten analysiert und ihre Ergebnisse in einer Sonderausgabe des American Journal of Physical Medicine & Rehabilitation veröffentlicht, übersichtlich gegliedert in zwölf Kapitel zu spezifischen Fragestellungen. An jedem haben fünf bis zehn Wissenschaftler gearbeitet.

Was sie herausgefunden haben, ist in Fachenglisch formuliert und mit Grafiken und Tabellen angereichert. Ich habe mir die Rosinen herausgepickt, die mich angesprochen haben.

Die Auswertungen beziehen sich auf 1'320 Antworten. Somit haben 28 Prozent der 4'690 Eingeladenen teilgenommen. 70 Prozent davon waren Männer.

cover special issue ajpmr swisci 2022

In einer Sonderausgabe dieses Fachblatts für Rehabilitation sind die Resultate und Auswertungen der Befragung von 2022 veröffentlicht.

Inkomplette Para- und Tetraplegiker trifft es im Alter stärker

Mehr als jeder Dritte von uns (34,4 Prozent) hat Schulterschmerzen. Am häufigsten treten sie bei Menschen mit inkompletter Tetraplegie auf, gefolgt von Menschen mit inkompletter Paraplegie. Frauen sind häufiger betroffen.

Unabhängig vom Geschlecht zeigt die Studie, dass die «Inkompletten» unter uns im Alter funktionell mehr verlieren als die «Kompletten». Dabei dachten wir doch, die Inkompletten seien im Vorteil. Jetzt wissen wir, dass ihr Glück befristet ist. Als Inkompletter, seit drei Jahren auch «Schulterverletzter», kann ich das bestätigen.

Wir beziehen elfmal mehr Gesundheitsdienstleistungen

Im Durchschnitt nehmen wir 45,72-mal pro Jahr Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch, die uns insgesamt 4'450 Franken kosten – die Kosten für die Erstrehabilitation nicht eingerechnet.

Dies lässt sich mit den Zahlen der ebenfalls 2022 durchgeführten «Schweizerischen Gesundheitsbefragung» des Bundes vergleichen. Gemäss dieser Studie nehmen «gesunde» Menschen nur 4,18-mal pro Jahr Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch, was Kosten von 1'334 Franken verursacht.

Es scheint zunächst, als würden wir zu viel konsumieren. Aber wir leiden an einem komplexen, zudem schweren und chronischen Krankheitsbild. Aufgrund unserer körperlichen Defizite benötigen viele von uns regelmässig Physiotherapie für durchschnittlich 832 Franken und Pflegehilfe für 957 Franken pro Jahr. Ist das so viel?

Die chronisch Kranken, zu denen wir als Untergruppe gehören, benötigen durchschnittlich 12,54-mal solche Leistungen, was Kosten von 3'925 Franken verursacht. Das ist nicht viel weniger als wir Querschnittgelähmte kosten.

forschergruppe

Die Resultate der Befragung sind in 12 Kapitel eingeteilt. Hinter jedem steht eine Forschergruppe von 5 bis 10 Personen.

Ab 50 Jahren steigt der Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen

Es überrascht niemanden, dass unsere Gesundheitskosten steigen, je älter wir werden, konkret ab 50 Jahren.

Ich selbst, seit 1977 inkompletter Tetraplegiker auf Höhe C5/C7, habe seit der Erstrehabilitation einmal pro Woche Physiotherapie, also abzüglich der Abwesenheiten rund 45-mal im Jahr. Mit zwei Arztbesuchen sind es 47. Damit lag ich lange Zeit nahe am Durchschnitt.

Inzwischen gehöre ich allerdings zu denen, die ihn nach oben treiben. Denn seit Mitte 2021 benötige ich die Spitex. Ich war damals 66 Jahre alt, war einmal sieben Wochen im Spital und das zweite Mal fünf. Seither hat es sich eingespielt, dass die Spitex jeden dritten Tag am Vormittag für einen «grossen Service», wie ich es nenne, vorbeikommt.

Abzüglich der Abwesenheiten sind das rund 100-mal im Jahr. Mit Physiotherapie und Arztbesuchen komme ich auf 150-mal. Altersbedingt nehme ich also 3,3-mal mehr Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch als der durchschnittliche «QS’ler».

beanspruchung von gesundheitsdienstleistungen bei querschnittlähmung

Beanspruchung von Gesundheitsdienstleistungen nach Altersgruppen: Der linke Balken steht jeweils für die «Gesunden», der mittlere für Menschen mit chronischen Erkrankungen, der rechte bildet die Menschen mit Querschnittlähmung ab. (GP ist das englische Kürzel für Hausarzt, Outpatient für ambulant, Inpatient für stationär, Nursing care für Pflegehilfe.)

Beim Unfall sind wir älter und wir werden älter

Zwei weitere Entwicklungen zeigt die SwiSCI-Studie auf: Erstens sind die Zeiten vorbei, in denen vorwiegend übermütige Zwanzigjährige – wie ich damals – dramatisch verunglücken und als «QS’ler» im Rollstuhl landen. Wer heute querschnittgelähmt wird, ist im Durchschnitt 38 Jahre alt. Die Befragten in der Studie waren im Durchschnitt 58 Jahre alt und sassen schon 20 Jahre im Rollstuhl.

Zweitens: Je später im Leben das Trauma eintritt, desto anspruchsvoller und potenziell teurer werden die Rehabilitation und die anschliessende Pflege.

Wir nehmen am Arbeitsmarkt teil und leisten unseren Beitrag

64,6 Prozent von uns «nehmen am Arbeitsmarkt teil», tun also etwas und erzielen ein steuerpflichtiges Einkommen. Tendenz steigend: 2012 waren es erst 56 Prozent.

Nicht nur das: 48,6 Prozent geben an, weniger als eine Stunde pro Tag für die Selbsthilfe aufzuwenden. Hut ab, kann ich da nur sagen. Bei mir war es immer mehr. Deshalb hatte ich in meinen besten zehn Jahren nur eine 80-Prozent-Stelle. Je mehr Zeit wir im Badezimmer und mit der Garderobe verbringen, desto weniger können wir arbeiten oder etwas anderes tun. In den nächsten Beiträgen werden wir diese Zusammenhänge näher beleuchten.

fritz mit spitex am bett

(Fast) alleine ins Bett gekommen! Je besser wir uns selber helfen können, desto leistungsfähiger sind wir …

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