Nicht die Rollstühle, sondern die Burlesque-Künstler stehen im Rampenlicht
- 4 Minuten Lesezeit
- 28. September 2021
- kitwan
Nicht die Rollstühle, sondern die Burlesque-Künstler stehen im Rampenlicht
«Als Behinderte bekommen wir oft zu hören, wir hätten kein Recht darauf, uns sexy zu fühlen, wir hätten kein Recht darauf, sexy zu sein»,
erzählt Empress Eyrie dem Journalisten mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen. Empress ist eine australische Burlesque-Künstlerin mit diversen Gesundheitsproblemen, darunter Fibromyalgie und Arthritis.
In diesem Blog erfahrt Ihr mehr über sie und zwei andere Frauen im Rollstuhl. Sie alle teilen die gleiche Leidenschaft für Burlesque – die kunstvolle Darstellung von Glamour, Verspieltheit und Verführung.
Tease-Able – Australiens erste inklusive Burlesque
Aufgrund einer Nervenschädigung und anderer chronischer Gesundheitsprobleme benötigt Empress Eyrie zur Fortbewegung einen Gehstock. Sie erinnert sich an ihre erste Erfahrung mit Burlesque-Onlinekursen, die zu anspruchsvoll für sie waren. Die Lehrerinnen waren nicht in der Lage, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Sie kam sich vor wie eine Last.
Das motivierte sie, Tease-Able zu starten – den ersten inklusiven Burlesque-Präsenz-Tanzkurs für Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen in Australien. In dem Kurs werden alle Teilnehmerinnen dazu ermutigt, ihre Fähigkeiten zu erkunden und ihr Selbstvertrauen zu stärken, indem sie individuell zugeschnittene Burlesque-Choreographien einstudieren. Nach acht Burlesque-Stunden trat im Juli zum ersten Mal eine Gruppe von Tease-Able-Schülerinnen auf.
Empress ist stolz auf ihre Schülerinnen. Sie findet, dass barrierefreie Burlesque-Aufführungen eine positive soziale Wirkung haben. Als Künstlerin mit Behinderungen ist freut sie sich ganz besonders, wenn Zuschauer/-innen sie nach der Aufführung ansprechen, sich für ihre Repräsentation bedanken – und dafür, dass sie gesehen haben, wozu sie fähig sind.
DisabiliTease – Shows über Stärke und Resilienz
Little Peaches ist eine weitere australische Burlesque-Künstlerin, die in Grossbritannien lebt. Sie leidet unter einer Krankheit namens Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), die ihre Gelenkstabilität und -beweglichkeit stark beeinträchtigt.
Als man ihr sagte, sie solle wegen ihrer Erkrankung mit dem Tanzen aufhören, beschloss sie, ihre Leidenschaft fürs Tanzen aufs nächste Level zu heben: Sie begann mit Burlesque-Training. 2019 startete sie DisabiliTease, eine Burlesque-Show mit behinderten Künstlerinnen. Ihr Debüt in Liverpool war ausverkauft und ein grosser Erfolg.
Gleichwohl war es eine Herausforderung, DisabiliTease ins Leben zu rufen, aus mehreren Gründen: Zum einen ist Werbung für Burlesque auf Social Media wegen Nacktdarstellungen schwierig. Zweitens ist es mühsam, einen barrierefreien Veranstaltungsort für Darstellerinnen und Publikum im Rollstuhl zu finden, besonders wenn das Budget klein ist.
Zudem sind Menschen mit Behinderungen seit langem in der Gesellschaft zu wenig und falsch repräsentiert, was bei behinderten Künstler/-innen mitunter zu Selbstzweifeln führt. Little Peaches ist eine von ihnen. Deshalb ist sie dankbar, dass sie Familie und Freunde hat, die sie unterstützen und sie ihrer Fähigkeiten versichern, wenn sie es braucht. Ihre Trainerin erinnert sie immer wieder daran:
«Wenn du da oben (auf der Bühne) bist, bist du für dich selbst da oben. Sie dürfen sich glücklich schätzen, dich zu sehen, also nutze diese Energie.»
Auf dem Weg zur Rollstuhl-Burlesque-Tänzerin lernte Little Peaches, dass ihre Behinderung sie nicht davon abhalten kann, ihre Leidenschaft fürs Tanzen zu leben. Sie tritt gerne im Rollstuhl auf, weil sie der Welt zeigen kann, dass das Leben im Rollstuhl keine Katastrophe ist. Natürlich möchte sie dem Publikum auch zeigen, dass Burlesque im Rollstuhl genauso charmant und sexy sein kann.
Anfang des Jahres drehte Little Peaches ein Video, in dem ihren Körper wertschätzt und sich mit dem Konzept der Body Neutrality ausdrückt:
«Deine Waffe ist dein Trotz, deine Hartnäckigkeit, deine Resilienz, deine Bereitschaft zu wissen, dass es okay ist, nicht okay zu sein.»
Miss Disa-Burly-Tease – Behinderung akzeptieren
Jacqueline Boxx ist eine Burlesque-Künstlerin aus den USA. Wie Little Peaches hat auch sie EDS. Doch anders als Little Peaches fiel es Jacqueline am Anfang schwer, mit Burlesque im Rollstuhl aufzutreten.
Beeinflusst von ihren ableistischen Vorurteilen über Behinderung wollte Jacqueline nicht im Rollstuhl auftreten, weil es bedeutet hätte, dass sie ihren «Mangel» eingestehen würde. Nur dank der Anleitung und Ermutigung durch ihre Mentoren im Burlesque-Kurs begann sie den Rollstuhl als etwas Positives in ihrem Leben anzusehen. Sie akzeptiert ihre Behinderung durch ihre Burlesque-Auftritte im Rollstuhl. Später veranstaltete sie sogar eine Show, um sich für Menschen wie sie selbst mit einer unsichtbaren Behinderung einzusetzen:
2017 kämpfte Jacqueline als erste Tänzerin im Rollstuhl um einen Titel im Burlesque Hall of Fame Weekender. Sie tritt mit Rollstuhl-Burlesque in mehreren Ländern auf, darunter das Virtual DisabiliTease Festival 2021. Sie gibt auch Workshops und Kurse, in denen sie Menschen mit eingeschränkter Mobilität angepasste Burlesque-Bewegungen beibringt, die sicher und sexy sind. Sie ist der Meinung, Sexualität kennt keine Grenzen.
«Nur weil du eine Krankheit oder eine Behinderung hast, heisst das nicht, dass du nicht sexy sein und auftreten kannst.»
Unter diesem Link gibt es ein weiteres Video von Jacqueline Boxx: https://vimeo.com/219622473/56e8b4d64a.
Jacqueline sagt, dass es nicht ihr Rollstuhl ist, der sie zur Frau und Tänzerin mit einer Behinderung macht. Doch ihr Rollstuhl ermöglicht ihr vieles mehr und sie kann Dinge tun, die sie ohne nicht könnte.
Was haltet Ihr von Rollstuhl-Burlesque? Was lässt Euch sexy und attraktiv fühlen?